Schule als Resonanzraum

„Wir sind auf derselben Wellenlänge“ heißt eine alte Redewendung. Manchmal sprechen wir auch davon, „viel positive Resonanz zu erzeugen“. Prof. Hartmut Rosa hat den Begriff Resonanz für zwischenmenschliche Beziehungen aufgegriffen und für Schule aufgearbeitet. 

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Soziologieprofessor Hartmut Rosa hat den Begriff Resonanz, der ursprünglich aus der Physik stammt, in seiner Resonanztheorie aufgegriffen. Er definiert ihn als das, „was passiert, wenn zwei Stimmen einander hören und aufeinander so antworten, dass sie sich davon berühren lassen und sich dadurch verändern“. Das gilt für alle menschlichen Beziehungen. Doch was bedeutet es für die Schule?

Wenn Lehrkräfte mit einer feindlichen oder gleichgültigen Haltung in Klassen gehen, kommt es zu Entfremdung. Es entsteht eine Mauer, die einen echten Beziehungsaufbau verhindert. Dabei können Lehrkräfte viel tun, um Kinder und Jugendliche emotional zu berühren.

„Es gibt keine Blaupause für resonanten Unterricht“, betont Rosa. Dennoch ist er überzeugt, dass es Möglichkeiten gibt, „resonantes Bildungsgeschehen wahrscheinlicher zu machen“ und Entfremdung entgegenzuwirken.

Um entsprechende Impulse in Schulen zu bringen, veröffentlichte er 2016 das Buch Resonanzpädagogik: Wenn es im Klassenzimmer knistert (gemeinsam mit Wolfgang Endres) und ein Jahr später das dazu passende Kartenset Resonanz im Klassenzimmer (zusammen mit Wolfgang Endres und Jens Beljan).

Im Buch und bei den Karten geht es um ein Lehren und Lernen, „das individualisiert und nachhaltig ist und eine Reflexion und Schulung der Beziehungsfähigkeit aller am Bildungsprozess Beteiligten beinhaltet“. Dabei geht Rosa auf viele aktuelle Themen ein, etwa wie man im Smartphone-Zeitalter in Beziehung gehen kann. Weitere Themen sind das Mitschwingen im Unterricht, Motivation, Feedback-Akzeptanz und Resonanz in Dissonanz sowie Vertrauen und Humor.

Das Kartenset aus dem Beltz Verlag, das einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema Resonanzpädagogik bietet, enthält 48 Impulskarten mit je einer Kernaussage und auf der Rückseite eine Erklärung und eine dazu passende praktische Übung.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Eine Lehrkraft setzt die Karten in einer Oberstufe ein und lässt eine Karte laut vorlesen: „Der moderne Mensch hat weniger Angst davor, überwacht zu werden, als übersehen zu werden.“ Die Lehrkraft fragt: „Wie ist das gemeint und was empfindest du, wenn du das hörst?“ Es entwickelt sich eine lebhafte und sehr persönliche Diskussion, in der die Schüler*innen auch ihre Gefühle schildern.

Beispiel 2: Eine Lehrerin findet den Arbeitsalltag stressig und sucht nach Impulsen, etwas anders zu machen. Sie zieht eine Karte und liest: „Beim Lachen wie beim Weinen sind Tränen ein Indikator dafür, dass Weltverhältnisse sich verflüssigen.“ Dieser Satz macht etwas mit ihr. Zum einen merkt sie, dass ihr Tränen kommen, wenn sie an den heutigen Tag denkt, der besonders schlimm war und spürt, dass es gut ist, ihnen freien Lauf zu lassen. Gleichzeitig erinnert sie sich daran, dass ein Drittklässler ihr einen lustigen Witz erzählt hat. Sie entschließt sich, mehr Humor in ihren Alltag zu bringen. Sie guckt sich eine Comedy-Sendung an und überlegt sich einen lustigen Unterrichtseinstieg für die Klasse, mit der sie oft Schwierigkeiten hat.

Beispiel 3: Ein Schulleiter möchte die Klassenkonferenz einmal anders starten und sucht sich gezielt eine Karte aus dem Set, um die Selbstreflexion in seinem Team anzuregen: „Den richtigen Ton zu treffen meint, die Sache für die Schüler zum ‚Klingen‘ zu bringen.“ Es folgt eine Stille, in der vielleicht einige Stirnen runzeln. Bei anderen im Team leuchten die Augen. Eine Erkenntnis. Eine Erinnerung. Eine Idee. Der Schulleiter bittet Freiwillige zu sagen, was dieser Satz mit ihnen macht. Die Wirkungen sind sehr unterschiedlich. Dann bittet der Schulleiter sein Kollegium in Dreiergruppen Ideen aufzuschreiben, wie man denn den Ton richtig treffen und für das Klingen bei den Schüler*innen sorgen kann. Es kommen Ideen auf, zum Beispiel, dass der eigene Ton von der eigenen Stimmung, der Körperhaltung und weiteren Faktoren bestimmt wird.

Fazit

Die Karten bieten keine Patentrezepte an, sondern laden zum Nachdenken ein und erzeugen eine emotionale Resonanz – sowohl im Kollegium als auch bei (älteren) Schüler*innen. Auf den Rückseiten der Karten gibt es dazu wertvolle Impulse für den Unterricht.

 

Hartmut Rosa / Wolfgang Endres / Jens Beljan: Resonanz im Klassenzimmer. 48 Impulskarten zur Resonanzpädagogik mit 16-seitigem Booklet, 2017, Beltz Verlag

 

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  • Resonanz im Klassenzimmer Cover: Beltz Verlag