Die Schwestern der Zuversicht: Vorsicht, Nachsicht und Umsicht
Schäfer führt uns gleich zu Beginn ein in die „Schwestern der Zuversicht“: Vorsicht, Nachsicht und Umsicht. Er betont die essenzielle Bedeutung dieser Tugenden, um in einer unsicheren Welt stabil und hoffnungsvoll zu bleiben. Vorsicht bedeutet, vorausschauend und achtsam zu handeln, um Risiken zu minimieren. Er zitiert den Philosophen Hans Jonas, der das Vorsorgeprinzip in der Umweltpolitik etabliert hat.
Schäfer erklärt, dass dieses Prinzip fordert, bei allen technologischen und umweltbezogenen Handlungen die möglichen negativen Folgen zu bedenken und entsprechend vorsorgend zu handeln. Er verweist zudem auf Ernst Blochs Werk „Prinzip Hoffnung“, das Hoffnung als einen tief in der menschlichen Existenz verankerten Impuls beschreibt. Inspiriert wird Schäfer auch von Robin Wall Kimmerer, die auf besondere Art und Weise indigenes Denken und rational geprägtes Denken zusammenbringt und damit eine Brücke baut.
Von der Unterscheidung zwischen Optimismus und Zuversicht
Schäfer berichtet aus seinem Kurs zu konstruktivem Journalismus, in dem Zuversicht, Hoffnung, Ideen und Vorbilder eine große Rolle spiele. Bei der Diskussion über Angst auslösenden Faktoren und Zuversicht spendenden Faktoren wurde ihm klar, dass die Studierenden klar und reflektiert auf das Thema schauen und nicht mit blindem Optimismus antworten. Während Optimismus oft als ein oberflächlicher Glaube an ein gutes Ende ohne Rücksicht auf die Realität beschrieben wird, ist Zuversicht eine tiefere, reflektierte Haltung. Er beschreibt Zuversicht als aktive, kämpferische Haltung.
Die Zuversicht ist rauer [als der Optimismus]. Die Zuversicht kämpft gegen Widerstände an. (…) Die Zuversicht ist eine Wandersfrau, die die Widerstände im Blick hat, die Höhen und Tiefen, aber auf den Gipfel will. – Torsten Schäfer
Quellen von Zuversicht sind vielseitig und an überraschenden Stellen zu finden
Schäfer nennt verschiedene Beispiele, die Zuversicht im Leben fördern können. Als persönliches Beispiel führt Schäfer, selbst praktizierender Buddhist, zunächst das Bild der tibetischen Göttin Parnashavari an, die ihm in der Pandemie Zuversicht geschenkt hat. Mit ihrem Beil, ein Buch, ein Seil und Kräuter. Das Wissen, dass irgendwann alle Buddhisten weltweit in der tiefen Not meditieren und sie sich vorstellen, hat ihn zuversichtlich gestimmt. Auf diese Weise konnte Spiritualität ein Weg zu Zuversicht sein.
Wozu Zuversicht? Sie ist die Quelle der Lebensfreude, sie ist der Schlüssel zur Freiheit. – Torsten Schäfer

Zudem betont Schäfer mit Blick auf unsere Gemeinschaft: das „neue Wir“ ist ganz stark. Er gibt das Beispiel einer Frau in den USA, die auf einer Klimakonferenz den Umweltschützer Bill McKibben gefragt hat: What can I do to fight climate change as a single person? (deutsch: was kann ich als einzelne Person tun, um den Klimawandel zu bekämpfen) Und er antwortete: stop being a single person. (deutsch: höre auf, eine einzelne Person zu sein). Zusammen können wir mehr bewegen, zusammen können wir leichter zuversichtich sein.
Ebenso kann uns die Gemeinschaft aller Lebewesen Mut machen, so Schäfer. Wir werden zunehmend in der Philosophie, in der Politik und in der Juristerei zu einem Punkt kommen, dass wir ein großes Gespräch aller Lebewesen „more than human“ einfordern und realisieren. Erste Bestrebungen und Klagen gibt es, ein ökologisches Grundgesetz ist die große Vision.
Zudem hilft es uns, in Zyklen zu leben. Wir alle haben einen großen Kreislaufbedarf, so Schäfer. Wenn wir die seit Jahrtausenden bestehenden Zyklen bewusst erleben, haben wir viel mehr Zuversicht und Energie, als wenn wir strikt linear denken und leben. Schäfer betont schließlich, dass draußen in der Natur zu sein, Neues zu entdecken, zu sehen, wie sie lebt – und nicht tot ist –Zuversicht geben kann. In und mit etwas leben, das Hildegard von Bingen Grünkraft nennt. Allein die Schönheit dieses Wortes kann einen begeistern. Heutzutage reden wir viel zu wenig über Schönheit. Gerade draußen in der Natur können wir diese immer wieder entdecken.

Sprache als Schlüssel zu Beziehungsreichtum, Mut und Zuversicht
Zum Ende gibt Schäfer Einblicke in sein persönliches Fachgebiet. Er erläutert den Begriff der beziehungsreiche Sprache, „relational language“, die im Gegensatz zur kapitalistichen Sprache dazu einlädt, die Arme zu öffnen, dem Gegenüber mit Freundlichkeit zu begegnen. Ein Ziel ist es, davon wegzukommen, dass Sprache sehr kalt ist.
Der Resonanzbegriff, vornehmlich durch den Soziologen Hartmut Rosa geprägt, zeigt auf, dass es auch hier Schwestern gibt. Neben der Kognition gibt es die Sensation und auch die Kontemplation, verstanden als Stille und als Achtsamkeit.
Darüber hinaus gibt es die Emotion und auch die Intuition. Schäfer plädiert dafür, auf all diesen Ebenen unterwegs zu sein und uns breiter aufstellen als nur mit dem Verstand, denn nur so kommen wir zu etwas, was tiefer geht als die Zahlen und Fakten. Wir können daraus Mut, Hoffnung, Zuversicht und Kreativität schöpfen.
Drei Take-Aways
- Zuversicht ist mehr als Optimismus: Sie beinhaltet die Fähigkeit, trotz Herausforderungen und Widerständen positiv in die Zukunft zu blicken.
- Gemeinschaft, Grünkraft und Spiritualität stärken die Zuversicht: Zusammenhalt und gemeinschaftliches Handeln sind Quellen von Zuversicht, ebenso wie die direkte Erfahrung in der Natur oder spirituelle Zugänge wie Meditation. Sie können uns Energie und Kraft für positive Veränderungen geben.
- Beziehungsreiche Sprache führt uns über den Verstand hinaus: Eine freundliche, poetische Sprache, die über unsere reine Ration hinausgeht, fördert innere Ruhe, Mut und Kreativität.