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Achtsamkeit macht den Sport reicher

Achtsamkeit ist im Sport angekommen und findet an den sportwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Beachtung. Prof. Dr. Petra Jansen spricht im Interview über Studien zur Wirkung der Achtsamkeit und den Zusammenhang von Körper, Kognition und Emotion.

PORTAL FÜR ACHTSAMKEIT IN DER PÄDAGOGIK

Das Gespräch führte Mike Kauschke

Prof. Dr. Petra Jansen lehrt Sportwissenschaft an der Universität Regensburg und vermittelt dabei achtsamkeitsbasierte Methoden und Übungen. Sie ist besonders an der Verbindung von Achtsamkeit und Bewegung interessiert, die sie in einem interdisziplinären Bachelorstudiengang „Angewandte Bewegungswissenschaft“ und einem Masterstudiengang „Motion and Mindfulness“ auch an Studierende weitergibt. Wir sprachen mit Petra Jansen über die Bedeutung von Achtsamkeit im Sport.

Wie kann sich Achtsamkeit auf die Selbstwahrnehmung und die Leistung von Leistungssportlern auswirken?

Petra Jansen: Achtsamkeit hilft, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und damit auch sich selbst im gegenwärtigen Moment wahrzunehmen. Wenn man im gegenwärtigen Moment präsent ist, lässt man sich von störenden Reizen nicht ablenken. Dies kann die Leistung steigern, wobei bei der Leistungssteigerung viele Aspekte eine Rolle spielen. Es ist wichtig zu wissen, dass Achtsamkeit kein Allheilmittel ist, auch im Sport nicht.

Wie wirkt sich Achtsamkeit auf die Emotionen, den Stress oder Druck bei Wettkämpfen aus?

Jansen: Es wird angenommen, dass Achtsamkeit auf die Emotionsregulation wirkt, d.h. auf den Prozess, durch den z.B. die Intensität, die Dauer oder das Erleben der Emotion beeinflusst wird. Auch erhofft man sich durch ein Achtsamkeitstraining, mit dem „choking under pressure“ Phänomen besser umgehen zu können, dem Phänomen, dass man unter Druck oder Stress die eigentliche Leistung nicht abrufen kann.

Es zeigte sich eine Verbesserung der Leistungen durch Achtsamkeit.

Welche Wirkungen der Achtsamkeit bei Sportlern konnte bisher in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden?

Jansen: Es zeigen sich tatsächlich positive Befunde auf unterschiedliche Parameter im Sport. Ich möchte hier einmal eine Meta-Analyse herausgreifen, die von Bühlmayer et al. (2017) publiziert wurde. Dabei werden verschiedene Arbeiten zu dem Thema statistisch zusammengefasst.

Die Autoren konnten zeigen, dass sich ein Achtsamkeitstraining – immer im Vergleich zu einer Kontrollgruppe –  im Sport auf die Achtsamkeit an sich auswirkte, aber auch auf physiologische (z. B. den Cortisol- Level) und psychologische (z.B. Flow-Zustand) Parameter.

Eine Verbesserung in der Leistung nach einem Achtsamkeitstraining zeigte sich z.B. beim Schießen. Dennoch gilt auch hier der Titel aus einer wissenschaftlichen Arbeit von van Dam et al. (2018): „Mind the hype“. Es müssen z.B. noch viele Arbeiten mit einer großen Stichprobe durchgeführt werden.

Es hört sich schon etwas eigentümlich an, wenn Achtsamkeit dazu genutzt wird, besser zu schießen. Dient Achtsamkeit im Sport nur der Leistungssteigerung? Ursprünglich geht es bei Achtsamkeit auch darum, anders in der Welt zu sein und Qualitäten wie Mitgefühl zu entwickeln. Wie sehen Sie diesen Aspekt?

Dies gilt ja nicht nur für den Sport, sondern für viele Aspekte in der Leistungsgesellschaft. Ich persönlich sehe das kritisch, weil – wie Sie schon sagen – Achtsamkeit eben viel mehr ist und z.B. eine „Herzensqualität“ wie Mitgefühl umfasst. Und gerade der Basketball-Trainer Phil Jackson hat diese Herzensqualitäten integriert.

Für mich ist das Wichtigste, dass sich beides nicht ausschließen muss. Optimierung und Leistung stehen nicht im Widerspruch zu Mitgefühl und Liebe, sie ergänzen sich und machen somit auch den Sport reicher. Heute wird auch nicht nur Achtsamkeit, sondern auch Selbstmitgefühl im Sport praktiziert, wozu es bereits positive wissenschaftliche Befunde gibt.

Es gibt systematische Programme zur Anwendung von Achtsamkeit im Sport, wie den Mindfulness-Acceptance-Commitment Approach und das Mindful Sports Performance Enhancement. Wie schätzen Sie die Wirkung solcher methodischen Programme ein?     

Jansen: Zum Einstieg mag die Teilnahme an einem methodischen Programm sehr helfen. In diesen Programmen werden zahlreiche Themen angesprochen, wie z.B. Achtsamkeit auf den Körper, die Aufmerksamkeit, die Emotion, aber auch Akzeptanz, d.h. Annehmen dessen, was ist. Mein Kollege Dr. Florian Seidl hat das Programm „mindful emotion“ für den deutschsprachigen Raum entwickelt. Hier wird z.B. auch das wertebasierte Handeln berücksichtigt, das erst dann möglich wird, wenn ich mir meiner Werte bewusst bin.

Achtsamkeit hat im Leistungssport ihren Platz.

Wie weit verbreitet sind achtsamkeitsbasierte Ansätze in der Sportpsychologie? Können Sie uns einige prominente Beispiele nennen, wo Achtsamkeit im Leistungssport mit Erfolg angewendet wird?

Jansen: Meines Erachtens hat Achtsamkeit im Leistungssport schon ihren Platz. Ein berühmtes Beispiel ist sicherlich Phil Jackson, einer der besten Basketballtrainer in den USA. Er praktizierte mit den Spielern Achtsamkeit.  Auch von Novak Djokovic ist bekannt, dass er meditiert.

Die deutsche Weltklasse-Weitspringerin Malaika Mihambo sieht man auch während ihrer Wettkämpfte zeitweise in einer meditativen Haltung. Daneben beschäftigt man sich auch in der Sportpsychologie mit achtsamkeitsbasierten Ansätzen. Für die Ausbildung der Sportpsycholog:innen habe ich erst kürzlich die Folien zur Achtsamkeit im Sport erstellt.

Unterstützen achtsamkeitsbasierte Praktiken solche Flow-Zustände? Warum sind diese Zustände für Sportler erstrebenswert?

Jansen: Der Flow-Zustand beschreibt das völlige Aufgehen in einer Situation. Viele Menschen kennen das z.B. vom Laufen, man läuft wie im Rausch und bekommt nicht viele Dinge mit. Die Meta-Analyse von Bühlmayer hat z.B. gezeigt, dass Achtsamkeit den Flow-Zustand begünstigen kann. Ein Flow-Zustand ist eine Art Glückszustand, deswegen erscheint er für viele Menschen erstrebenswert.

Wenn ich es richtig gelesen habe, praktizieren Sie selbst Achtsamkeit. In welcher Weise erfahren Sie die Achtsamkeitspraxis als unterstützend?

Jansen: Ja, ich habe eine Ausbildung als Mindfulness Meditation Teacher. Ich selbst erlebe Achtsamkeit als unterstützend, um mit den Unwegsamkeiten, die im Leben auftauchen, umgehen zu können. Der Akzeptanz-Aspekt und auch der Aspekt des liebevollen Gewahrseins spielen für mich eine große Rolle.

Sie verbinden Achtsamkeit auch mit Bewegung in Studiengängen wie „Angewandte Bewegungswissenschaft“ und „Motion and Mindfulness“. Warum setzen Sie auf diese Verbindung zwischen Achtsamkeit und Bewegung, auch in den Studiengängen?

Jansen: Sowohl Bewegung als auch Achtsamkeit können dazu führen, das Glücksempfinden zu steigern oder einen Flow-Zustand zu erreichen. Dies wollen wir im Masterstudiengang wissenschaftlich untersuchen und lehren.

Uns ist aber auch wichtig zu vermitteln, dass dies individuell ganz unterschiedlich sein kann. Während die eine lieber schwimmen geht, mag der andere es zu meditieren. Weder das eine noch das andere ist dabei „besser“. Wichtig ist es, den eigenen Weg zu finden.

Im Bachelorstudiengang „Angewandte Bewegungswissenschaft“ vermitteln wir Konzepte aus der Psychologie, Medizin und Sportwissenschaft. Wir können unseren Körper nicht isoliert von unserer Psyche betrachten. Der Studiengang ist für alle jungen Menschen interessant, die sich für den Zusammenhang zwischen Körper, Kognition und Emotion interessieren.

Wie unterstützen achtsamkeitsbasierte Verfahren die Studierenden?

Jansen: Vielleicht wird dies durch einen Spruch verdeutlicht, der aus dem MBSR kommt: „Achtsamkeit hilft, auf den Wellen des Lebens zu surfen!“ Das gilt natürlich auch für das Studium. Es wird nicht immer alles glatt gehen im Studium! Eine Achtsamkeitspraxis kann die Akzeptanz im Leben fördern.

Wie kann jeder Mensch im Hobbysport achtsamkeitsbasierte Methoden anwenden?

Jansen: Es gibt viele Möglichkeiten: Indem er oder sie z.B. versucht, bewusst auf den Atem während des Sports zu achten, regelmäßig einen Body-Scan praktiziert, oder vor wichtigen Wettkämpfen, die für ihn oder sie richtige Achtsamkeitsmethode auswählt.

 

Foto Petra JansenPetra Jansen studierte Anthropologie, Ethnologie, Psychologie und Mathematik, absolvierte ein Promotionsstudium der Kognitiven Psychologie und habilitierte sich in Experimenteller Psychologie. Sie ist zertifizierte Lehrerin für Mindfulness-Meditation. 2008 wurde sie Lehrstuhlinhaberin für Sportwissenschaft an der Universität Regensburg. Schwerpunkte ihrer Forschungsarbeit sind Motorik, Emotion und Kognition. Neben dem interdisziplinären Bachelorstudiengang „Angewandte Bewegungswissenschaft“ hat sie im Wintersemester 2018 den Masterstudiengang „Motion and Mindfulness“ entwickelt, in dessen Mittelpunkt die wissenschaftliche Vermittlung achtsamkeitsbasierter Verfahren steht.

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  • Petra Jansen: privat