Foto Frau hält sich die Ohren zu

Mit dem inneren Stress umgehen

Die Mittagsschlaf-Situation ist oft eine Herausforderung im Kita-Alltag. Möchte man die Kinder friedvoll und ohne Zwang begleiten, kann man selbst an seine Grenzen kommen. Die Pädagogin Theresa Reiser zeigt, wie man dem eigenen Stress begegnen kann.

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Die Einschlafbegleitung ist mit das Wunderbarste und gleichzeitig das Herausforderndste in der Arbeit mit den jüngsten Kindern im Kindergarten. Die Kinder „zum Schlafen bringen“ ist eine Art Königsdisziplin, die Erzieher:innen auch emotional herausfordert.

Die Rahmenbedingungen für den Mittagschlaf sind natürlich oft nicht die günstigsten. Eigentlich braucht man selbst eine Pause von der lauten Mittagssituation vorher. Und dann fordern manche Kinder unruhig oder weinend eine 1:1 Begleitung mit Nähe und Kuscheln ein. Wir betreuen in Deutschland Kinder unter drei Jahren im besten Fall im Verhältnis 1:3, eher 1:5 – kein Wunder also, dass es manchmal weder einem selbst noch den Kindern gut damit geht.

Die Situation kann neben dem Stress auch Wut und Scham auslösen. In einem steigt Ärger auf, wenn man die Kinder nicht dazu bringen kann, ruhig auf der Matratze liegen zu bleiben oder einzuschlafen. Man schämt sich, weil man sich plötzlich auf eine Weise verhält, die Forderungen und Zwang enthalten. Ich weiß es doch besser! Wer kann schon schlafen, wenn jemand neben einem in Wut ist? Dann mache ich als Kind doch eher aus Angst die Augen zu oder wehre mich.

Kein Kind muss schlafen, es darf schlafen.

Betrachtet man die Situation aus der Haltung der Achtsamkeit und reflektiert mit Selbstempathie die eigenen Gefühle, kann das sehr hilfreich sein. Aus Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation wissen wir: Diese Wut hat, wie jedes andere Gefühl, eine Berechtigung. Wut macht uns auf unsere Grenzen aufmerksam. Wut sagt: Hier läuft was falsch! Wut hat das Potential etwas zu verändern, wenn wir sie nicht destruktiv verwenden. Nur was muss sich hier ändern?

Eine Möglichkeit ist es, die Situation so zu gestalten, dass es allen Freude macht. Denn auch wenn die meisten Kinder in diesem Alter den Mittagsschlaf noch brauchen gilt: Kein Kind muss schlafen, es darf schlafen. Allein diese Herausgehensweise kann einem den Druck nehmen.

Als Erzieher:in ist man in erster Linie dafür verantwortlich, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Kinder Geborgenheit und Sicherheit erfahren können. Ebenso geht es darum, dass dabei alle eine gute Zeit zusammen haben, die positiv verknüpft ist.

Man kann zunächst für gute Rahmenbedingungen sorgen, indem man selbst vor der Einschlafbegleitung eine kurze Pause macht. Wenn man schon spürt, dass man keine Geduld hat, kann man schauen, ob man die Begleitung wenn möglich an Kolleg:innen abgeben kann. Wenn man sich bewusst für die Einschlafbegleitung entscheidet, kann man sie zu einer Achtsamkeitsübung machen und die eigenen Reaktionen beobachten:

Eine Achtsamkeitübung kann helfen

Wenn ein Kind beginnt, sich zu bewegen, nehme ich das wahr. Ich bemerke meine Befürchtung, dass es unruhig ist und aufstehen wird. Ich beruhige mich selbst. Wenn ich merke, dass ich wütend und genervt werde, gehe ich auch mal einen Schritt zur Seite oder in einen anderen Raum. Ich kümmere mich um mich selbst, damit ich danach wieder für die Kinder da sein kann. Wenn ein Kind anfängt zu reden, nehme ich es wahr, ich sehe es, spreche ruhig mit ihm: „Ich bin da, es ist sicher, du darfst dich jetzt ausruhen.“ Ich führe den Fokus immer wieder zurück zur Freude und liebevollen Stille.

In den vielen Momenten ist dann das, was man sich selbst sagt, auch das, was den Kindern hilft zur Ruhe zu kommen. Und man weiß es ja: Irgendwann ist das erste Kind eingeschlafen, dann das zweite. Das dritte schläft vielleicht nicht ein, und auch das ist okay. Dann braucht es einfach etwas anderes. Was das genau ist, kann man in Ruhe und gemeinsam schauen.

Theresa Reiser

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Theresa Reiser ist Theaterpädagogin. Sie arbeitet derzeit als Erzieherin in einer bedürfnisoriertiert und gewaltfrei ausgerichteten Kita in Berlin und schreibt für AVE über ihre Erfahrungen. Sie hat seit vielen Jahren eine eigene Achtsamkeits- und Meditationspraxis und besucht Fortbildungen in den Bereichen GFK, Achtsamkeit, Selbstmitgefühl.

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  • Ohren zuhalten: Inkje / Photocase.de
  • Theresa Reiser: privat