Morgenseiten – bewusst in den Tag starten

Wünschen wir uns mehr Verbundenheit im Innen und Außen, brauchen wir Ruhe, Klarheit und Bewusstheit. Dr. Norma Burow erklärt das bewährte Ritual vom „Morgenseiten schreiben“ – und wie sie es mit einem Bodyscan verbindet.

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Die Weihnachtszeit ist für viele von uns eine wunderbare, aber oft auch stressige Zeit. Geschenke müssen besorgt, Vorbereitungen getroffen und der Alltag bewältigt werden. Die Weihnachtsfeiertage bieten dann oftmals nicht die gewünschte Erleichterung oder gar innige Verbindung zu unseren Lieben oder der erweiterten Familie, die wir uns so sehnlich gewünscht haben.

Ich möchte in diesem Artikel eine Möglichkeit vorstellen, die dazu beitragen kann, dass diese Zeit im Jahr tatsächlich besinnlich und entspannt wird. Momente der Entspannung, echte Vorfreude, ob auf Weihnachten oder das Neue Jahr, erleben wir mit tiefem Bewusstsein viel intensiver.

Das Schreiben von Morgenseiten* bietet genau das. Denn es hilft, alles herauszuschreiben, was den Verstand „belegt“. Alles herauszuschreiben, was an Gedanken herum wabert, jedoch gleichzeitig dafür sorgt, dass der Geist beschäftigt ist, ohne wirkliche Tiefe oder gar emotionale Verbundenheit zu erreichen.

Was sind Morgenseiten?

Morgenseiten sind eine Schreibpraxis, bei der Sie täglich schreiben und daraus eine Gewohnheit etablieren. Morgenseiten basieren auf der Technik des Freewritings, einer Methode, die Ihnen ermöglicht, ungezwungen und ohne Einschränkungen zu schreiben. Im Gegensatz zum zielgerichteten Schreiben beim Journaling.

Beim Freewriting Ihrer Morgenseiten schreiben Sie für 20 Minuten oder 3 Seiten lang ununterbrochen über alles, was Ihnen durch den Kopf geht. Es ist wichtig, dass Sie dabei völlig unkritisch schreiben und nicht auf Zeichensetzung, korrekte Rechtschreibung oder Grammatik achten. Der Fokus liegt darauf, in einen Schreibfluss zu kommen, der Sie vollkommen im Hier und Jetzt sein lässt.

Es geht um das Schreiben ohne Bewertung, ohne Gedanken an Richtig oder Falsch, einfach völlig ungefiltert. Dazu schreiben Sie fortwährend und setzen den Stift nur ab, um das nächste Wort zu starten.

Unterstützend kann ein kleiner Passus sein, den Sie zuvor in ihr Heft schreiben und unterzeichnen: „Ich werde hier nur hineinschreiben, es nicht nochmal lesen. Ich gebe es niemand anderem. Wenn es voll ist, verbrenne ich es.“

Was ist der Effekt von Morgenseiten?

Durch das Tanzen des Stiftes über das Papier fließen Buchstaben und Worte aus Ihrem Kopf auf das Papier. Gedanken, Sorgen, Ängste oder Erinnerungen bekommen hier den Raum, um sich zu zeigen. Sie dürfen sein. Das klärt den Geist und der Weg wird frei für tiefere Erkenntnisse. Dadurch entspannt sich auch das Unterbewusstsein, da es weiß, dass die störenden Gedanken einmal am Tag Aufmerksamkeit bekommen. Diese Gedanken können somit später nicht mehr überraschen. Letztendlich führen Morgenseiten zu mehr Kreativität, Produktivität, Fokus und vor allem Achtsamkeit.

Morgenseiten-Body Scan

Die Methode, die ich für mich etabliert habe und die ich insbesondere Einsteiger*innen empfehle, lehnt sich an den “Body Scan” an. Dabei verbindet sie eine körperliche Innenschau mit dem Schreiben, wodurch ein Zustand tiefer Konzentration und Verbundenheit mit den eigenen inneren Ebenen entstehen kann. Sie sieht vor, 20 Minuten nur darüber zu schreiben, wie es mir geht und dabei den Fokus auf Körperempfindungen zu legen.

Fragen Sie sich also zuallererst schriftlich: “Wie geht es mir?”

Anschließend schreiben Sie darüber, was Sie gerade in Ihrem Körper spüren. Egal, was sich zeigt, alles darf sein. Bleiben Sie dabei auf einer beschreibenden Ebene und werten nicht, was sich zeigt. Ein zärtliches “Hallo! Ich spüre dich. Ich nehme dich wahr.” an diese Empfindung schenkt die nötige wertfreie Aufmerksamkeit und somit Bewusstheit.

Stellen sich keine weiteren Gedanken ohne intensives Nachdenken ein, schreiben Sie die Eingangsfrage “Wie geht es mir?” wiederholend aufs Papier und kehren zu dieser Frage zurück, sobald wieder eine Pause entstehen will. Solange, bis sich etwas zeigt. Dabei ist es hilfreich, Ihre Aufmerksamkeit von den Zehen, über Ihre Beine, die Arme hinauf bis zum Kopf zu lenken. Sind die Zehen kalt oder warm? Wie fühlt sich der Rücken an? Ist der Nacken entspannt? Was schmecken oder riechen Sie? Wie stark drücken Sie mit Ihrem Stift aufs Papier auf? So oder so ähnlich.

Nach einigen Minuten erst zeigen sich tiefgründigere Dinge. Auch die dürfen dann aufs Papier. Zwischenzeitliche Körperempfindungen dürfen ebenfalls wieder aufs Papier.

Mehr Bewusstsein und Kontakt zu uns selbst

Dieser Weg intensiviert deutlich den Kontakt zu uns selbst. Er schafft Bewusstheit für den Körper und somit Bewusstheit für den Moment. Wir stecken viel in unserem Kopf und durchdenken unsere Handlungen den lieben langen Tag und vergessen darüber, darauf zu lauschen, welche Botschaften unser Körper uns eigentlich sendet. Daraus kann sich ein Teufelskreis entwickeln, denn ohne Körper erhalten wir auch kein oder erst ein sehr spätes Signal wenn es eine Grenzüberschreitung über unsere eigene Wohlfühlzone gibt.

Das Schreiben von Morgenseiten ermöglicht Ihnen, jeden Tag und insbesondere stressige Zeiten wie die (Vor-)Weihnachtszeit wieder bewusster zu erleben. Es schafft nachhaltigen Raum für Entspannung, Vorfreude und stärkt unsere Achtsamkeit im Alltag.

Norma Burow

Dr. Norma Burow ist Mentorin für innige Mutter-Kind-Beziehung. Sie ist ausgebildet im Artgerecht Projekt und begleitet Mütter dabei, eine tiefe Verbindung zu ihren Kindern aufzubauen und dabei die Mütter zu sein, die sie sein möchten. Mehr auf ihrer Website.

 

 

*Ursprünglich stammt das Konzept der Morgenseiten von der Autorin Julia Cameron, die es in ihrem Buch Der Weg des Künstlers als eines der Grundwerkzeuge vorstellt. Wer der Anleitung des Buches folgt, arbeitet neben den Morgenseiten noch mit Journaling-Fragen und wöchentlichen Dates mit sich selbst.

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  • Norma Burow: Norma Burow