Ungefähr 280 Zuhörer*innen lauschten dem Vortrag von Dr. Yuka Nakamuro zum Thema „Achtsamkeit – eine Schlüsselkompetenz in einer zunehmend komplexen Welt“. Es war angenehm, dem langsamen schweizerischen Duktus ihrer Sprache zu folgen und spannend zu hören, wie die ehem. Hochschuldozentin, Psychologin, buddhistische Meditationslehrerin und MBSR-Ausbildnerin das Feld der Achtsamkeit zu Beginn der Tagung aufgeblätterte.
Tagungsort war die PH Zürich, der Vortrag in einem wunderschönen, modern und in Holz gestalteten Hörsaal. Die Menschen kamen aus allen deutschsprachigen Ländern zusammen. Es gab Kaffee und Croissants, zwei Vorträge, dazwischen Workshops zu vorher ausgewählen Themen und einen feinen Abschluss in einer nahegelegenen Location mit Zeit für Austausch und Diskussion.
Einen Raum für Aussteller gab es auch – hier hatte auch das AVE Institut einen Platz, gleich neben Stefanie Hammer vom Magazin Moment by Moment.
Achtsamkeit in der Schule – wo wir heute stehen
Dr. Yuka Nakamuro gab zunächst einen Überblick über die Historie der Achtsamkeitspraxis im Westen und nannte einige Meilensteine – nicht nur interessant für die Pädagog*innen und Student*innen im Publikum – in der Mehrzahl Frauen – die noch zu den Einsteiger*innen ins Thema gehörten.
Unter den Meilensteinen nannte Nakamuro auch das Jahr 2012, als sich die Arbeitsgruppe „Achtsamkeit in Schule und Bildung“ in der SGL (Schweizerische Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung) bildete, welche die Tagung mitorganisiert hat. Das war vor 10 Jahren und, so resümierte Nakamuro, inzwischen sind wir an einem neuen Punkt in der Entwicklung angelangt. Es sei an der Zeit, innezuhalten, hinzuschauen und Fragen zu stellen.
Viele Jahre ging es darum, das Thema Achtsamkeit im pädagogischen Kontext bekannt zu machen, Scheuklappen und Vorbehalte abzubauen, Überzeugungsarbeit zu leisten, Programme zu entwickeln und Konzepte zu etablieren. Und wenn es auch nicht so ist, dass heute jeder den Begriff Achtsamkeit definieren kann, so haben doch inzwischen zumindest viele schon einmal davon gehört.
Darüber freuen sich natürlich vor allem die Pionier*innen der „Bewegung“, von denen einige im Publikum sitzen, darunter Detlev Vogel von der PH Luzern und Matthias Rüst von Achtsame Schulen Schweiz, welche die Tagung mitorganisiert haben, Dr. Nils Altner, Dr. Cécile Cayla, Helga Luger-Schreiner, Vera Kaltwasser, Susanne Krämer, Karma Lobesang, die jeweils Workshops zu speziellen Themen angeboten haben, und auch Karlheinz Valtl von der Uni Wien als Redner am Round Table und Prof. Dr. Stefan Schmidt aus Freiburg mit einem Vortrag über den Stand der Forschung.
Diese Pionier*innen wissen aber auch, dass es der Sache nicht immer zuträglich ist, wenn jeder zu wissen meint, worum es bei der Achtsamkeit geht und doch eigentlich kaum über das Wissen aus eigenen Erfahrungen verfügt. Denn, die Frage wirft Dr. Yuka Nakamuro in den Raum, was stellen wir uns unter dem Begriff explizit und implizit eigentlich vor?
Was ist Achtsamkeit: Weisheit, Güte, Herzensbildung
Achtsamkeit sei ein sogenannter „umbrella term“, gesättigt mit impliziten Vorannahmen. Dazu zählten Dinge wie Weisheit, Güte, Herzensbildung, Ethik und Beziehunsgsqualitäten.
Einige meinen aber auch eher Empathie, Aufmerksamkeit oder Beruhigung, wenn sie von Achtsamkeit sprechen. Und im schulischen Kontext stehen vor allem Begriffe wie Konzentration und Impulskontrolle im Vordergrund. Je weiter wir also fortschreiten, desto sensibler dürfen wir werden, wenn über das Thema gesprochen würde – um den Begriff nicht zu verwässern, unklar oder gar banal werden zu lassen. Eine Konsolidierung des Feldes sei von Nöten.
Ebenso sieht die MBSR-Ausbilderin das Thema der Vermittlung von Achtsamkeit an Schüler*innen und Lehrer*innen. Der Bedarf ist groß und die Nachfrage da, doch wer unterrichtet diese vielen Menschen in Schulen und Hochschulen eigentlich? Achtsamkeit sei einerseits Teil einer Methode, doch vielmehr noch eine Haltung.
Ein*e Lehrer*in, der/die Achtsamkeit unterrichte, tue dies mit ihrem ganzen Wesen, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Stimmlage, das ganze Verhalten gehöre dazu – und nicht nur die Kompetenz eine Übung anzuleiten, die man auf einer Fortbildung gelernt habe.
Unterrichtende sollten unbedingt Zeit bekommen und investieren für die Vertiefung der eigenen Praxis. Nur so lasse sich die Qualität dessen, was in den Schulen und bei den Kindern ankäme, sichern. Und nur dann „funktioniere“ es auch.
Dr. Yuko Nakamuro endet mit dem Vorschlag, zu einem ganzheitlicheren Ansatz in der Achtsamkeit zu finden, der ihr transformierendes Potenzial bewahre und eine säkuläre Geistes- und Herzensbildung einschlösse. Ihre Abschlussworte haben uns bewegt, inspiriert und ermutigt:
Sarina Hassine
Weitere Informationen
Mehr Informationen zur Tagung „Achtsamkeit in Schule und Bildung“ im September 2022 in Zürich finden Sie hier.
Den Vortrag von Dr. Yuka Nakamuro finden Sie hier.
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