Han mit Blüten

Dankbarkeit als Kraftquelle im pädagogischen Alltag

Dankbarkeit macht glücklich, weiß Ulrike Zika. Sie hat praktische Übungen für Lehrkräfte zusammengestellt, wie man das Dankbarsein in der Schule kultivieren kann.

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Dankbarkeit bewusst zu üben, kann als sinnvolle Strategie angewendet werden, um der angeborenen Negativtendenz unseres Gehirns, wie sie Rick Hanson beschreibt, entgegenzuwirken und zufriedener zu leben.

Die Auswirkung einer Geisteshaltung der Dankbarkeit wird auch in Studien erforscht und hat einen festen Platz in einer Reihe von achtsamkeitsbasierten Programmen*. Hier wird sie als eine heilsame Weisheitspraxis verstanden, die eng mit den Geisteshaltungen von Wertschätzung und Verbundenheit verwoben ist.

Dankbarkeit „üben“

In vielen Achtsamkeitskursen werden wir als Übende beispielsweise eingeladen, uns im Geiste mit Ereignissen, Menschen, Tieren, der Natur oder Dingen zu verbinden, die ein Gefühl von Dankbarkeit im Körper, im Geist oder im Herzen entstehen lassen.

Ein anderer Zugang ist, dass wir bewusst immer wieder verinnerlichen, dass wir für alles, was wir im Leben benötigen, von anderen abhängig sind und die eigenen Interessen stets mit jenen der anderen verwoben sind – eine Erfahrung die wir alle insbesondere in der Zeit der Pandemie gemacht haben. So kann auch ein positives Gefühl von Verbundenheit mit anderen entstehen.

Ähnlich ist der Ansatz, sich auf das Gute zu fokussieren: Wir können dankbar dafür sein, dass viele gute Dinge in unserem Leben aus einer Vielzahl von Menschen und Ereignissen um uns herum resultieren.

Bei der Dankbarkeit sollten wir uns selbst aber auch nicht vergessen: Selbstwertschätzung kann wunderbar mit Dankbarkeit und Verbundenheit verwoben werden. Dabei vergegenwärtigen wir uns beispielsweise Eigenschaften, die wir an uns selbst schätzen. Im Anschluss erforschen wir, welche anderen Wesen oder Personen uns dabei unterstützt haben, diese Qualitäten zu entwickeln.

Forschung: Dankbarkeit wirkt stressmindernd

Das Thema interessiert auch die Forschung. Dass das Üben und Kultivieren von Dankbarkeit unser Wohlbefinden steigert und Leid verringern kann, bestätigt nun auch eine aufschlussreiche Studie aus Polen. In der Studie waren die Teilnehmer*innen aufgefordert, zwei Wochen lang ihren täglichen Stress in Tagebüchern festzuhalten. Nur die Hälfte der Versuchsteilnehmer*innen sollte zusätzlich auch notieren, wofür sie jeden Tag dankbar war.

Der Versuch zeigte, dass das tägliche Kultivieren von Dankbarkeitsgefühlen mit höherem persönlichem Wohlbefinden korrelierte. Zudem wurde ersichtlich, dass auch die negativen Auswirkungen des täglichen Stresses bei der Dankbarkeitsgruppe mehr abgemindert werden konnten als bei jener Gruppe, die sich nicht mit dieser Weisheitspraxis auseinandersetzten (vgl. Krejtz et al., 2016).

Dankbarkeit

Dankbarkeit im pädagogischen Alltag – Praxistipps

Dankbarkeit ist also nachweislich ein probates Mittel, um Leid zu mindern und Wohlbefinden zu verbessern. Es lohnt sich, auch nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, wie wir die Dankbarkeitspraxis in den pädagogischen Alltag integrieren können:

Dankbarer Austausch

Schüler*innen, Studierende und Lehrende können regelmäßig dazu eingeladen werden, am Ende einer Schulstunde, am Ende eines Schultages oder am Ende eines Semesters zu reflektieren und auszutauschen, was ihnen Freude gemacht hat und wofür und wem sie dabei dankbar sind und waren.

Dankbarkeitsglas

Ein „Dankbarkeitsglas“ kann eine passende Möglichkeit sein, die Weisheitspraxis der Dankbarkeit gemeinsam zu üben: Dazu wird ein schönes, großes Glas – zum Beispiel ein Konfektglas – und danben ein Stapel bunter Zettel und Stifte im Klassenraum gut sichtbar aufgestellt.

Wann immer ein*e Schüler*in oder ein*e Lehrer*in ein positives Erlebnis hat, ist er*sie eingeladen, dieses mit Datum und in Stichworten auf einem der bunten Zettelchen festzuhalten und in das Glas zu werfen. Am Ende des Halbjahres können diese guten Momente dann nochmals gemeinsam ins Gedächtnis gerufen werden.

Steinchen der Dankbarkeit

Eine spielerische Möglichkeit, die bei kleineren Kindern ebenso gut ankommt wie bei Erwachsenen, ist das Ritual der Dankbarkeitssteine: Dabei werden die Übenden eingeladen, sich jeden Morgen eine Handvoll kleiner Steine (alternativ auch Münzen, Murmeln oder Bohnen) in die rechte Hosentasche zu stecken. Immer, wenn während des Tages etwas Angenehmes erlebt wird, Freude oder Glück empfunden wird, wandert ein Stein aus der rechten Hosentasche in die linke Hosentasche.

Der Anlass für den Seitenwechsel kann vielfältig sein und sich auch auf ganz kleine Freuden beziehen: Ein freundliches Wort eines*r Mitschülers*in, Entspannung nach einer erledigten Aufgabe, das Genießen der frischen Luft, wenn die Fenster nach einer anstrengenden Schulstunde geöffnet werden, der Genuss beim ersten Bissen des Jausenbrotes, das Lachen der Klasse über einen gelungenen Scherz, …

Am Ende des Tages können die Steine nochmals aus der linken Hosentasche geholt werden und die kostbaren Momente erinnert werden, die die Steine die Seite wechseln ließen.

Lehrer*innen schreiben Tagebuch

Ein Klassiker, der Lehrenden empfohlen werden kann, um ihre persönliche Stressbewältigung und den gezielten Aufbau von Dankbarkeitsgefühlen zu unterstützen, ist es, ein sogenanntes Dankbarkeitstagebuch zu führen – wie es auch in der oben zitierten polnischen Studie verwendet wurde.

Dieses kann allgemein gehalten werden und sämtliche positiven Ereignisse eines Tages am Abend festhalten. Es kann sich aber auch ganz gezielt ausschließlich auf die berufliche Ebene beziehen. Dabei wird der Blick dafür geschärft, wieviel Positives im eigenen Berufsalltag bemerkbar ist. Das kann Lehrkräfte gezielt dabei unterstützen, sich die eigene Wirksamkeit bewusst zu machen.  Gleichzeitig wird nach jenen Elementen Ausschau gehalten, die das Gefühl der Verbundenheit intensivieren. Die Gelegenheiten dafür können vielfältig sein, hier einige Beispiele:

  • Wertvolles und hilfreiches Unterrichtsmaterial, das von anderen Kolleg*innen zur Verfügung gestellt wurde, wird wertgeschätzt.
  • Erfolge und Entwicklung von einzelnen Schüler*innen und Student*innen werden dokumentiert.
  • Ein guter Kontakt in einem Gespräch mit Kolleg*innen oder Schüler*innen wird bewusst wahrgenommen.
  • Die Erleichterung von Schüler*innen oder Student*innen nach bestandenem Test und Schularbeiten wird gesehen und gespürt.
  • Das gute Gefühl der eigenen offenen Neugierde beim Recherchieren von Hintergrundinformationen zum unterrichtenden Stoff kann ausgekostet werden.

Je länger und eingehender wir mit dieser Praxis vertraut sind, desto umfangreicher werden im Regelfall die guten Momente, die uns in unserem Alltag auffallen.

Das Führen so eines Tagebuches kann nicht zuletzt eine unterstützende Ressource sein, um neben den vielen Herausforderungen des Lehrberufs, die vielen erfüllenden, bereichernden und verbindenden Elemente nicht zu verpassen.

„Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind. (Francis Bacon)

Ulrike Zika

*z.B. im MBCL-Programm (Mindulfness Based Compassionate Living), im CBCT (Cognitively-Based Compassionate Training) oder im MSC (Mindful Self-Compassion)-Programm

Weitere Informationen

Wer in die Weisheitspraxis der Dankbarkeit noch tiefer eintauchen möchte, dem*r sei das Netzwerk „Dankbar leben“ und die dazugehörige Website empfohlen.

Auf der Website sind auch eine Reihe von Inspirationen in Form von Audio- und Video-Beiträgen zum Thema Dankbarkeit zu finden, unter anderem das berührende und poetische Video des österreichisch-US-amerikanischen Benediktinermönch David Steindl-Rast „A good day“:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.dankbar-leben.org zu laden.

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Ulrike Zika ist diplomierte Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin mit einem Master-Abschluss in Achtsamkeit in Bildung, Beratung und Gesundheitswesen. Sie ist Trained MSC-Teacher, Ernährungsberaterin nach Traditionell Chinesischer Medizin und Expertin für ganzheitliche Gesundheit. In Trainings, Workshops, Kursen und Beratungen unterstützt sie Menschen darin, ihre innewohnende Weisheit (wieder-)zu entdecken und mit Zugängen der Achtsamkeit Mitgefühl und Fürsorge für sich und andere zu üben und zu etablieren. Mehr auf ihrer Website.

Bildquellen dieser Seite anzeigen

  • Hand mit Blüten: Igor Kocka / photocase.de
  • Dankbarkeit: Eliza / photocase.de
  • Ulrike Zika: Robert Saringer