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Fortbildung: Schulfach Glück

„Was einen glücklich macht, muss jeder für sich herausfinden. Aber man kann lernen, das Leben in die eigene Hand zu nehmen.“ Dominik Dallwitz-Wegner bildet seit 2008 Lehrer*innen für das Schulfach Glück aus.

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„Die kleinen Dinge im Leben machen mich glücklich. Mit meiner Frau Kaffee trinken und ein spannendes Morgengespräch führen. Und es macht mich glücklich, Glückskurse zu geben“, sagt Dominik Dallwitz-Wegner. Er bietet die Lehrerfortbildung „Schulfach Glück“ in Hamburg zum 21. Mal und in Berlin im 22. Durchgang an. „Man lernt tolle Menschen kennen, man unterstützt andere, die wieder andere unterstützen. Das ist wie eine riesige Blumenwiese, auf der immer mehr Knospen erblühen.“

Alles begann damit, dass Oberstudiendirektor Ernst Fritz-Schubert mit dem Schulklima an seiner Schule nicht zufrieden war. Er entwickelte ein Konzept mit Elementen aus der Erlebnis- und Theaterpädagogik und führte 2007 den „Glücksunterricht“ ein. Ziel dieses Faches ist es, Lebenskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und diese auch im Schulalltag zu realisieren.

Dominik Dallwitz-Wegner war begeistert von dem Ansatz. 2008 initiierte er eine internationale Konferenz zur Glücksforschung und wurde 2011 Lehrbeauftragter für das Fritz-Schubert-Institut. Seither hat er mehr als 300 Lehrkräfte weitergebildet.

Glück ist wie ein Kompass

„Was einen glücklich macht, muss jeder für sich herausfinden. Aber man kann lernen, das Leben in die eigene Hand zu nehmen, nicht Dulder, sondern Gestalter der eigenen Gefühle zu sein. Glück ist wie ein Kompass.“, so der Wahl-Hamburger. Der ganzheitliche Ansatz funktioniert in der Kita und der Schule, ebenso wie in Unternehmen und Senioreneinrichtungen. Nur die Methoden unterscheiden sich.

Alle Übungen können an das entsprechende Alter angepasst werden. Zuerst geht es darum, das Grundvertrauen in die eigene Umgebung zu fördern. Dazu kann man mit größeren Kindern zum Beispiel nach einiger Vorbereitung „Stagediving“ üben. Man springt in die Arme der anderen Kinder, die einen auffangen. Kleinkinder können das nicht machen, weil ihnen noch die Körperspannung fehlt. Sie legen sich in ein großes Tuch und werden von den anderen durch den Raum getragen.

Je nach Zielgruppe ist es außerdem wichtig, den entsprechenden Wortschatz aufzubauen, ein Stärken- und Wertevokabular, etwa bei kleinen Kindern, bei geistiger Behinderung oder wenn Schüler:innen aus einem anderen Sprachraum kommen. Jugendliche lernen komplexe Begriffe wie Transzendenz oder Vergebungsbereitschaft kennen.

Vier wichtige Fragen, um die es für die Teilnehmer:innen jeden Alters geht:

Was brauche ich?    Wer bin ich?    Was kann ich?    Was will ich?

Schulfach Glück als AG oder Wahlpflichtkurs

Eine interne Erhebung von Dominik Dallwitz-Wegner hat gezeigt, dass über 90 Prozent der Lehrer:innen die in der Fortbildung gelernten Inhalte einsetzen, allerdings sehr unterschiedlich. Einige probieren die ersten Übungen schon nach kurzer Zeit mit den Schüler:innen aus, zum Beispiel als Teambildungsübungen im Rahmen einer Vertretungsstunde. Andere integrieren einzelne Elemente in den Unterricht – das funktioniere in jedem Fach, wie eine Teilnehmerin aus Wien zeigte, sogar in Latein. Manche Lehrkräfte nutzen das „Schulfach Glück“ als AG oder Wahlpflichtkurs, zu dem die Schüler:innen freiwillig kommen.

In jedem Fall müssen die Lehrkräfte auch am eigenen Selbstbewusstsein arbeiten. „Sie durchlaufen während der Fortbildung selbst das Persönlichkeitsprogramm“, sagt Dominik Dallwitz-Wegner. „Denn wenn der Glückslehrer oder die Glückslehrerin unglücklich ist, sinken die Chancen, dass es klappt.“

Die einjährige Lehrer:innenfortbildung ist in sechs Module aufgeteilt, die sich gut mit einer Schiffsmetapher erklären lassen:

  • Zuerst muss man seine Stärken kennen (stabiles Boot).
  • Dann braucht man Visionen, muss seine Bedürfnisse und Wertvorstellungen kennen.
  • Anschließend kommt die Entscheidung mit Herz und Verstand. (Wo soll die Reise hingehen?).
  • Dann muss man seine persönlichen Ziele planen (Fahrroute, Ressourcen).
  • Schließlich kommt die Umsetzung, bei der man auch Widerstände überwinden muss (Piraten, Sturm, Flaute).
  • Den Abschluss bildet die Reflexion. Bin ich auf dem Weg, den ich mir vorstelle? (Auf welcher Insel bin ich gelandet?)

Kann man Glück messen?

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen man Glück messen kann, als Kohärenzgefühl, als Sozialkapital oder subjektives Wohlbefinden. Dabei werden verschiedene Aspekte beleuchtet: Wie oft erlebt ein Mensch Glücksgefühle, wie fröhlich ist jemand, wie oft lacht ein Mensch, wie häufig strahlen die Augen?

In einem größeren Zusammenhang geht es darum, ob Dinge für einen selbst Sinn ergeben und ob man in eine Gemeinschaft eingebunden ist. Wie achtsam ist man und wie dankbar? Hinzu kommt die Fähigkeit zur Resilienz: Wie gut kann ich Schwierigkeiten oder Hindernisse überwinden? Welche Glaubensmuster habe ich? Gehe ich optimistisch und lösungsorientiert in die Welt?

„Was wir machen, sollte immer evidenzbasiert sein“, sagt Dominik Dallwitz-Wegner. Die Universitäten Heidelberg, Wiesbaden und München haben das „Schulfach Glück“ bereits wissenschaftlich begleitet. Teile des Programms sind in München in die Referendarsausbildung eingeflossen.

Die Evaluation zeigt, dass sich das Sozialkapital erhöht und die Schüler:innen mit Problemen besser umgehen können. Allerdings ist auch beim „Schulfach Glück“ nicht alles nur schön. „Wenn man sich mit Glück beschäftigt, muss man sich auch mit dem Unglück beschäftigen. Emotionen sind erwünscht, denn ohne sie ist es langweilig.“

Auch Lehrkräfte können in ihren Klassen erforschen, wie das, was sie unterrichten, ankommt. Die Kinder vergeben auf einer Skala Punkte oder füllen einen Fragebogen aus: Wie sinnvoll findest du die Übungen? Machen sie dir Spaß? Hilft dir das Erlernte in schwierigen Situationen? War die Theorie verständlich?

Ein weiteres Feedbackinstrument ist die Aufstellung eines Sterns: Je näher sich die Kinder zur Lehrkraft stellen, desto mehr stimmen sie der gestellten Frage zu. Solche kleinen Untersuchungen kann man nach einem halben Jahr wiederholen. Dann sieht jeder für sich, ob es einen Unterschied gibt.

Gemeinsam sinnvolle Ziele erreichen

Den zukünftigen Unterricht zu gestalten, sieht Dominik Dallwitz-Wegner als große Herausforderung an: „Es gibt momentan ein Standardprogramm für alle zur gleichen Zeit. Dabei werden viele Inhalte später nicht gebraucht. Das ist ein veraltetes Prinzip. Lehrerinnen und Lehrer sollten die Kinder und Jugendlichen begleiten, eigene Lehrpläne in einem bestimmtem Rahmen selbst zu entwickeln.

Und es braucht mehr Raum für Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz. Es gibt zwar Pilotprojekte, aber die Schullandschaft hinkt weit hinterher. Schulen brauchen mehr Freiheit und Selbstbestimmung.“ Sein Wunsch: „Gemeinsam sinnvolle Ziele erreichen und dabei Spaß haben.“ Das sollte in allen Zimmern als Motto über der Tür stehen.

Marika Muster

 

Dominik Dallwitz-WegnerDominik Dallwitz-Wegner initiierte und moderierte 2008 eine Konferenz für Glücksforschung und war Mitgründer und Leiter des Fritz-Schubert-Instituts (FSI), das das „Schulfach Glück“ im deutschsprachigen Raum verbreitet. Nach seinem Ausscheiden ist er nun Lehrbeauftragter des FSI, für das er Weiterbildungen zum „Schulfach Glück“ leitet. Er ist Redner und Autor im Bereich der Glücksforschung und sieht sich als Vermittler zwischen Wissenschaft und Praxis. Mehr über seine Arbeit finden Sie hier.

Weitere Informationen

 

„Für mich steht das Kind im Mittelpunkt von Schule“

Marika Muster ist Journalistin und hat mehrere Jahre als Lehrerin und Lernbegleiterin an verschiedenen Schulen in Schleswig-Holstein gearbeitet. Sie hat viel Erfahrung in der Erwachsenenbildung (z.B. Schulfach Glück) und in der Seminarleitung mit Jugendlichen (Klimagipfel des BUND). Sie hat "Schulfach Achtsamkeit" gegründet und bietet selbständig Lehrerfortbildungen und Onlinekurse an.

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