Elmas Avci (29) studiert an der Universität Leipzig für das Lehramt an Grundschulen. Sie war Teilnehmerin des Moduls „Körper-Stimme-Kommunikation“ bei der Achtsamkeitslehrerin und Kommunikationsforscherin Susanne Krämer.
Ich stehe kurz vor dem Staatsexamen, meine Kernfächer sind Ethik, Sachunterricht, Mathe und Deutsch. Eigentlich bin ich Quereinsteigerin: Nach meinem Bachelor-Studium in Philosophie und Spanisch an der Universität Göttingen habe ich ein Auslandspraktikum in Mumbai gemacht und Deutsch als Fremdsprache unterrichtet.
Hier merkte ich, dass ich Lust habe, mit den jüngsten Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Obwohl mir das Studium immer Spaß machte, hatte ich – so klischeehaft es klingt – oft das Gefühl, nicht bei mir zu sein und dass ich regelrecht etwas von mir „ver-rückt“ sei. Diesem Gefühl wollte ich auf die Spur kommen.
Wahrnehmen, wo ich gerade stehe
Bereits in Göttingen hatte ich bei der Psychosozialen Beratung den Grundkurs „Aufmerksamkeitsbasierte emotionale Regulation“ belegt, den ein Psychologe mit Qi Gong-Hintergrund anleitete. Rückblickend hat er uns Teilnehmende sehr gut an Achtsamkeit heran geführt – ohne es so zu benennen. Er hat vor allem auf neurowissenschaftlicher Basis erklärt und damit große Zugänglichkeit geschaffen.
In diesem Kurs habe ich unter anderem gemerkt, wie viele Gedanken in meinem Kopf hin- und herspringen. Diese Momente, in denen ich mich „ertappe“, empfinde ich als herausfordernd, aber auch lohnend.
Wenn ich beispielsweise nach Abschluss einer Klausur noch tagelang unter Strom stehe und das womöglich noch mit ständigem Mailchecken und anderem Medienkonsum verstärke, bemerke ich das inzwischen bewusst. Ich kann dann innehalten und meinem Gehirn kurz vermitteln, dass es doch schon vorbei ist!
Zu realisieren, dass ich das Runterkommen regelrecht vermeide, ärgert mich manchmal und dann geht es einfach darum, dass ich mich selbst beim Ärgern darüber „aushalte“. Dennoch weiß ich, dass solche Empfindungen im Moment des Realisierens eigentlich gut sind. Denn dadurch bemerke ich und nehme bewusst wahr, wo ich gerade stehe, wie es mir eigentlich geht. Das finde ich auch in meiner Arbeit mit Schüler:innen wichtig.
Achtsamkeit hilft mir allerdings nicht nur in Momenten, in denen es mir schlecht geht, sondern ich merke auch, dass ich Schönes noch mehr genießen kann. Dadurch, dass ich Momente bewusster erlebe, bemerke ich auch, wenn mir etwas gut tut.
Achtsame Erfahrungen bereichern den Alltag
An der Universität Leipzig habe ich die achtsamkeitsbasierte Arbeit von Susanne Krämer kennengelernt. Sie unterrichtet im Bereich der Sprechwissenschaft das Modul „Körper – Stimme – Kommunikation“. Es soll Lehramtsstudierende auf den sprechintensiven und kommunikativen Berufsalltag vorbereiten.
Tatsächlich sind die Kurse in verbaler und nonverbaler Kommunikation sehr intensiv. Ich empfand den Austausch mit meinen Mitstudierenden als sehr authentisch. Das gegenseitige Feedback auf Basis des achtsamen Sprechens und Zuhörens ging tiefer als in anderen Kursen.
Es ist keine Veranstaltung, die man mal eben so mitmacht und dann irgendetwas einreicht. Kurse wie die bei Susanne Krämer wünsche ich mir noch stärker im Curriculum vertreten. Dass eine besondere Form von innerer Aktivität – ohne Wischiwaschi und Eso-Chichi – gefragt ist, finde ich gut.
Und es tut mir auch gut. Ich spüre meine Intuition eindeutiger. Und ich bemerke bei mir eine Art von selektiver Wahrnehmung für Gedanken und Inspirationen, die mir wirklich etwas bringen und die ich weiter verfolgen möchte.
Seit ich die Achtsamkeit kennengelernt habe, hat sich eine Art Schalter umgelegt, und ich weiß: Den Strudel im Kopf gibt es noch und wird es immer geben, aber ich habe die Möglichkeit, einfach immer wieder kurz anzuhalten. Das kann mir nicht mehr genommen werden. Seither sammeln sich die „achtsamen Erfahrungen“ in meinem Alltag. Ich merke, in welch unterschiedlichen Bereichen die Achtsamkeit nützlich sein kann, die Möglichkeiten werden immer mehr.
Das will ich später unbedingt auch meinen Schüler:innen weitergeben. Schon jetzt bin ich in Praktikumsgruppen an Schulen immer die, die bei der Unterrichtsplanung überall Lockerungsübungen und stille Momente einbauen will.
Aufgeschrieben von Christina Raftery