Kirschblüte

Optimismus kann man lernen!

Wenn Sie das Gute eines Tages bewusster in sich aufnehmen, können Sie damit eine optimistischere Grundhaltung entwickeln. Der Neuropsychologe Rick Hanson hat sich damit beschäftigt, wie wir mit Achtsamkeit der natürlichen Negativitätstendenz des Gehirns entgegenwirken.

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Kennen Sie das: Sie hatten einen guten Tag, auf dem Weg nach Hause widerfährt Ihnen ein unangenehmer Zwischenfall. Mit einem Schlag wird Ihr guter Tag zu einem schlechten. Ihre Gedanken kreisen nur mehr um das „Problem“ und alles Positive, was an diesem Tag stattgefunden hat, ist wie weggefegt.

Warum uns eine einzige unangenehme Erfahrung oft einen ganzen guten Tag vermiesen kann, hat mit der natürlichen Negativitätstendenz unseres Gehirns zu tun. Aber dieser evolutionären Prägung können wir proaktiv entgegenwirken – ein Schlüssel dafür ist Achtsamkeit!

Der namhafte amerikanische Psychologe, Forscher und Achtsamkeitslehrer Rick Hanson hat sich genau diesem Thema verschrieben. Er ist Autor einer Reihe von Büchern wie „Denken wie ein Buddha“, „Das resiliente Gehirn“ oder „Neurodharma“ und beschreibt und lehrt, warum unser Gehirn an Negativem kleben bleibt wie eine Klette und Positives meist durchrutscht als wäre es in diesem Fall eine Teflonpfanne.

Verzerrte Sicht auf die Dinge

Als wir noch dem vielzitierten Säbelzahntiger davonlaufen mussten, waren Gefahren für Leib und Leben stets allgegenwärtig. Ein Rascheln im Gebüsch konnte leicht den Tod bedeuten. Wer hier eine besondere Sensibilität entwickelte und Gefahren rasch erkannte, hatte definitiv einen Überlebensvorteil.

Und es erwies sich langfristig als besser, lieber tausend Mal den Tiger im Gebüsch rascheln zu hören, obwohl er nicht da war, als ihn ein einziges Mal zu überhören. Dieses Ungleichgewicht hat sich im Laufe der Evolution dermaßen in unser Gehirn eingebrannt, dass es auch heute noch größtenteils unsere Wahrnehmung bestimmt. Wir nehmen Negatives und Gefahren einfach um ein Vielfaches intensiver und präsenter wahr als Positives.

Diese Tatsache sicherte zwar evolutionär betrachtet unser Überleben, beeinträchtigt heute jedoch auch unser emotionales Wohlbefinden. Und es verzerrt unseren Blick auf die Wirklichkeit, denn unsere positiven Erfahrungen verblassen leicht, wenn wir uns ihnen nicht ganz bewusst widmen.

Das Gehirn auf eine andere Fährte locken

Achtsamkeitsbasierte Zugänge eignen sich besonders gut, um diesem sogenannten „Negativitäts-Bias“– also dem Vorurteil, das unser Gehirn in Bezug auf Negatives zu eigen ist, entgegenzuwirken. Dazu ist es im ersten Schritt einmal notwendig, die positiven Dinge, die uns im Laufe eines Tages widerfahren überhaupt einmal wahrzunehmen. Häufig nehmen wir sie als selbstverständlich an und schenken ihnen keine weitere Aufmerksamkeit.

Unser Autopilot-Dasein begünstigt diese Gewohnheit. Wenn wir immer wieder innehalten und uns die Zeit dafür nehmen, welche positiven Geschenke uns ein Tag bringt, beginnen wir bereits unser Gehirn in eine andere Richtung zu steuern.

Bewusster Optimismus

Wer sich gezielt auf die Suche nach Positivem macht, wird bald erstaunt sein, wie viel Grund zur Freude jeder Tag (auch) bringt – selbst in schwierigen und herausfordernden Zeiten.

Das wärmende Gefühl der Frühlingssonne auf der Haut, das herzerfrischende authentische Lachen eines Kleinkindes im Bus, der Duft einer soeben aufgeblühten Rose im Garten, das angenehm entspannende Gefühl des warmen Duschwassers am Morgen, die wohlige und belebende Wärme des ersten Schlucks Tee oder Kaffee in der Früh, der süße Geschmack der Lieblingsschokolade, die liebevolle Umarmung einer guten Freundin, das gute Gefühl, ein Projekt abgeschlossen zu haben, die Erleichterung, wenn die Reparatur eines wichtigen Geräts dieses wieder einsatzfähig macht, das Gefühl von Verbundenheit beim Besuch der betagten Großmutter.

Übung: Das Positive in sich aufnehmen

Wenn wir unser Gehirn nun neu formen und es dabei unterstützen wollen, dass sich diese positiven Erfahrungen auch nachhaltig verankern, müssen wir uns allerdings ein wenig Zeit dafür nehmen.

Rick Hanson empfiehlt, diese Momente der positiven Wahrnehmung mindestens 10-20 Sekunden ganz bewusst in uns aufzunehmen. Wenden Sie sich also nicht gleich etwas anderem zu, sondern verweilen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit beim angenehmen Erlebnis, lassen Sie Sorgen und Probleme des Tages für diesen Moment dabei kurz in den Hintergrund treten.

Wenn Sie nun Ihre ganze Aufmerksamkeit auf das gute Gefühl und die damit verbundenen körperlichen Empfindungen richten, ermöglichen Sie Ihrem Gehirn und Ihrem Körpergedächtnis, diese gute Erfahrung ganz in sich aufzunehmen. Sie können sich dabei vorstellen, dass es in Ihre Brust, Ihren Rücken, Ihren Hirnstamm und in Ihr Herz eindringt und Sie bis in die kleinste Zelle ausfüllt.

Das Positive vertiefen und Negatives ersetzen

Wenn Sie noch einen Schritt weitergehen möchten, können Sie mit dieser Übung auch gezielt negativen Erfahrungen ein Gegengewicht anbieten. Dazu können Sie spüren, wie eine positive Erfahrung auch in alte emotionale Wunden eindringt und diese mit neuen positiven Gefühlen auffüllt: Sie können dabei jeweils mit der gegensätzlichen Erfahrung anknüpfen: Wenn Sie also zum Beispiel gerade eine Situation in sich aufnehmen, die Sie das Gefühl von angenehmer Nähe und Verbundenheit empfinden lässt, können Sie diesem angenehmen Gefühl Erinnerungen von Einsamkeit oder Ablehnung entgegensetzen.

Es geht nicht darum, das Negative ungeschehen zu machen oder eine rosarote Brille aufzusetzen, sondern darum Ihrem Gehirn die Chance auf eine ausgewogene Wahrnehmung der Realität zu ermöglichen. Dabei lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die positive Erfahrung im Vordergrund, während Sie die entsprechende negative Erfahrung schwach im Hintergrund wahrnehmen, so als ob Sie bei einer Musikanlage den Ton leiser machen würden.

Die guten Momente würdigen

Wenn Sie diese Übungen immer wieder durchführen, können Sie buchstäblich Ihr Gehirn verändern. Ihre innere Landschaft, Ihre Gedanken und Gefühle können auf diese Art mehr und mehr eine positivere Färbung annehmen. Sie helfen Ihrem Gehirn dabei, positive Erfahrungen zu registrieren und dadurch Vertrauen zu entwickeln. Positive Ressourcen werden verinnerlicht und gestärkt.

Wenn Sie sich täglich mindestens fünf Minuten Zeit nehmen, um das Gute in sich aufzunehmen, können Sie damit eine optimistischere Grundhaltung entwickeln. Ihre Resilienz wird sich dadurch ebenso verbessern, wie Ihre Fähigkeit, sich in Ihrer eigenen Gegenwart wohlzufühlen.

Letztlich verhelfen Sie Ihrem Gehirn und sich selbst dabei, das Gute in Ihrem Leben nicht zu verpassen!

Ulrike Zika

 

Rick Hanson ist Neuropsychologe. Als Experte für Neuroplastizität, inneres Wachstum und kontemplative Praktiken, lehrt er weltweit, wie Menschen ihr Gehirn gezielt stärken und ihr Herz öffnen können. Seine Bücher wurden in über 26 Sprachen übersetzt, seine Artikel erscheinen in einschlägigen Zeitschriften und sein wöchentlicher Newsletter Just One Thing hat weltweit mehr als 100.000 Abonnenten. Regelmäßig bietet Rick Hanson bei Arbor Seminare oder im Arbor Online Center Veranstaltungen und Weiterbildungen an. Weitere Informationen über Rick Hanson und seine Arbeit finden Sie auf seiner englischsprachigen Website.

 

In dieser Übung „Das Gute in sich aufnehmen“, einem kurzen Auszug aus dem Online-Kurs im Arbor Online Center, können Sie einen ersten Eindruck davon gewinnen, wie positive Neuroplastizität funktioniert, und bereits beginnen, sich innerlich zu stärken.

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Ulrike Zika ist diplomierte Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin mit einem Master-Abschluss in Achtsamkeit in Bildung, Beratung und Gesundheitswesen. Sie ist Trained MSC-Teacher, Ernährungsberaterin nach Traditionell Chinesischer Medizin und Expertin für ganzheitliche Gesundheit. In Trainings, Workshops, Kursen und Beratungen unterstützt sie Menschen darin, ihre innewohnende Weisheit (wieder-)zu entdecken und mit Zugängen der Achtsamkeit Mitgefühl und Fürsorge für sich und andere zu üben und zu etablieren. Mehr auf ihrer Website.

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  • Kirschblüte: Yan Liu / unsplash
  • Rick Hanson: Mike McGee Photography
  • Ulrike Zika: Robert Saringer