Gesundheitsförderung in Schulen

Dr. Antje Miksch sprach beim „Tag der Achtsamkeit 2023“ über die Auswirkungen von Achtsamkeit auf Gesundheit und Wohlbefinden. In ihrem Beitrag zeigt sie Zusammenhänge auf und fasst die wichtigsten Aspekte für den Kontext Schule zusammen.

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Schulen sind Lebenswelten, in denen Kinder und Jugendliche nicht nur den Unterrichtsstoff lernen, sondern darin bestärkt werden sollen, zu eigenständigen Persönlichkeiten heranzuwachsen. In einer gesunden und gleichzeitig gesundheitsfördernden Umgebung kann das Wissen vermittelt werden sowie die Lebenskompetenz reifen, die dafür notwendig sind.

Gesundheit und Bildung bedingen sich gegenseitig. Für Schulen bedeutet das, dass einerseits konkrete Angebote für Prävention und Gesundheitsförderung notwendig sind, wie beispielsweise Bewegungsförderung, gesunde Ernährung, Angebote für Stressbewältigung und Resilienztraining und andererseits Gesundheitsförderung eine elementare Voraussetzung für die Schulentwicklung ist.

Der Ansatz der lebensweltorientierten Gesundheitsförderung greift beides auf. Der Grundgedanke dafür wurde 1986 von der WHO in der Ottawa Charta wie folgt formuliert: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selbst Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“[1]

Personenzentrierte Perspektive

Das bedeutet, Personen im Kontext der sie umgebenden Systeme zu betrachten und aus einer personenzentrierten Perspektive „… mit den betroffenen Personen, nicht für sie Probleme lösen, Projekte entwickeln, Entscheidungen treffen; […] ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Bedürfnisse und Ansichten berücksichtigen und einbeziehen und ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Selbstverantwortung zutrauen.“ [2]

Gesundheitsförderung richtet sich an Individuen und Organisationen gleichermaßen und gelingt in einer stimmigen Balance aus Verhaltens- und Verhältnisorientierung. Die gesellschaftliche Perspektive schließt dabei insbesondere auch die Forderung nach einer gesundheitlichen Chancengleichheit ein. Der Grundstein dafür sollte in Kitas und Schulen gelegt werden, sowohl für diejenigen Kinder die von Ungleichheiten betroffen sind als auch für die Herausbildung einer von Solidarität, Demokratie, Nachhaltigkeit und Mitgefühl geprägten Haltung bei allen Kindern und Jugendlichen.

Gesundheitsförderung in der Schule

Dies gilt gleichermaßen auch für Lehrkräfte und alle anderen am Schulleben Beteiligten. Insbesondere die Lehrkräfte sind für die Gesundheitsförderung von elementarer Bedeutung. Ihre eigene Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sie die Aufgaben gut bewältigen können und damit auch den Rahmen halten für die Entwicklung der Schülerinnen und Schülern. Neben den individuellen Herausforderungen der Lehrkräfte, sind es auch die zunehmende Komplexität im Schulalltag und die Heterogenität in der Schülerschaft, die Anforderungen der Digitalisierung und die sich häufig ändernden bildungspolitischen Rahmenbedingungen bei einem gleichzeitig vorhandenen Lehrermangel, die zu einer Überlastung von Individuen und dem System Schule führen.

Damit einhergehend steigen die Stressbelastung und das Risiko für physische und psychische Erkrankungen mit einem häufig langen krankheitsbedingten Ausfall bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Der gesellschaftliche und bildungspolitische Umgang mit dem hohen Krankenstand und dem damit einhergehenden Fachkräftemangel in Kitas und Schulen ist darum nicht nur für die jeweiligen pädagogischen Fachkräfte, sondern für die Zukunftsfähigkeit des Bildungssystems von besonderer Bedeutung.

Neben körperlicher Stabilität ist für den gesunden Umgang mit Herausforderungen die psychische Gesundheit wichtig. Die WHO definiert psychische Gesundheit als einen „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann“ [3].

Wahrnehmung von Emotionen und Bedürfnissen

Gesundheitsförderung schafft Wohlbefinden und das ist wiederum eine Voraussetzung dafür, dass Menschen aufblühen und ihren Beitrag in der Gesellschaft leisten können. Dieser Prozess wird von positiven Lernerfahrungen unterstützt. Achtsamkeit fördert die Wahrnehmung eigener Emotionen und Bedürfnisse. Je mehr diese erfüllt werden, desto eher gelingt die Hinwendung zu positiven Emotionen und die Orientierung an den eigenen Werten.

Gemäß der Broaden-and-build Theorie von Fredricksen erweitert die Wahrnehmung positiver Emotionen das Wahrnehmungsspektrum und macht offener dafür, Ressourcen zu erkennen und langfristig aufzubauen.  Wohlbefinden verstärkt demnach das Positive und fördert eine gesunde Entwicklung. „Diese Offenheit im Denken wirkt sich positiv auf unser Verhalten und Handeln aus. Wir können mehr Informationen aufnehmen bzw. behalten, trauen uns mehr zu, probieren mehr aus, gehen auf andere zu und bleiben über einen längeren Zeitraum motiviert.“ [4].

Das Erleben einer erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen und die Wahrnehmung von sozialer Unterstützung ermöglichen positive Lernprozesse, die sich wie neuronale Feedbackschleifen immer tiefer im Gehirn verankern. Achtsamkeit fördert den Aufbau neuer neuronaler Verbindungen und Vernetzungen (Neuroplastizität). Die Salutogenese beschreibt, was für gesunde Entwicklungsprozesse notwendig ist. Zentral ist dabei die Annahme, dass Gesundheit und Krankheit keine Gegensätze, sondern die beiden Pole auf einem Kontinuum sind.

Der salutogenetische Beitrag von Achtsamkeit

Eine Ausrichtung in Richtung Gesundheit ist jederzeit möglich, wenn entsprechende Ressourcen vorhanden sind, um Herausforderungen zu bewältigen und Krisen zu meistern. Das Kohärenzgefühl mit den drei Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit wird dabei als eine zentrale Ressource betrachtet und kann als die Fähigkeit beschrieben werden, im Fluss des Lebens nicht unterzugehen, sondern zu schwimmen.

Eine achtsame Haltung fördert es dabei, die dafür notwendigen Handlungsspielräume zu erkennen. Der salutogenetische Beitrag von Achtsamkeit lässt sich wie folgt anhand der drei Komponenten des Kohärenzgefühls beschreiben[5]:

  • Verstehbarkeit – Achtsamkeit kann dazu beitragen, zentrale Zusammenhänge des Lebens zu verstehen und in die individuelle Perspektive einzuordnen
  • Handhabbarkeit – Achtsamkeit kann dazu beitragen, das Machbare und Bewältigbare zu erkennen und ein Gespür für unterstützende Ressourcen zu bekommen
  • Sinnhaftigkeit – Achtsamkeit kann dazu beitragen, den Sinn im eigenen Leben zu realisieren.

Je früher Kinder und Jugendliche erleben, in einer achtsamen und gesundheitsfördernden Kultur aufgehoben zu sein, desto tiefer verankert sich dieses Gefühl in Körper, Seele und Geist. Wohlbefinden, Geborgenheit und Sicherheit sind wesentliche Voraussetzungen dafür, das Lebenslanges Lernen gelingt.

Dies macht die besondere Bedeutung von Achtsamkeit, Prävention und Gesundheitsförderung in Kitas, Schulen und Hochschulen deutlich. Gesundheitsförderung zielt darauf ab, die Gesundheitskompetenz und Selbstwirksamkeit altersangemessen zu fördern, Belastungsfaktoren zu reduzieren und individuelle und umweltbezogene Ressourcen zu stärken.

„Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können.“ [6]. Dieses Wachstum braucht Zeit, Geduld und Achtsamkeit.

Integration in die Schulentwicklung

Viel zu oft sind Schulen allerdings geprägt von übervollen Bildungsplänen, Leistungsdruck und Stress. Gesundheitsförderung wird dann häufig als Zusatzaufgabe verstanden, die auch noch bewältigt werden muss und im Zweifelsfall aus dem Kalender gestrichen wird, wenn anderes vermeintlich wichtiger ist.

Angebote der Achtsamkeit und Gesundheitsförderung wie Kurse und Unterrichtseinheiten sind ein wichtiger Beitrag. Genauso wichtig ist es aber, dass Kinder und Jugendliche dies bei Ihren Lehrerinnen und Lehrern im Alltag erleben. Dies unterstreicht die Bedeutung der Lehrergesundheit.

Die Kultur einer Schule entwickelt sich dann, wenn sich der Alltag spürbar verändert. Dafür ist es wichtig, dass auch die Integration in die Schulentwicklung gelingt, und die Schule beispielsweise ein schulisches Gesundheitsmanagement implementiert, das auch darauf abzielt Prozesse und Strukturen zu verändern und wenn gesundheitsfördernde Schulentwicklung nicht nur in Leitbildern steht, sondern im Alltag auch gelebt wird.

„Für die Entwicklung gesunder Schulen sollten nachhaltige Strategien erarbeitet werden. Wichtig ist, dass die schulische Gesundheitsförderung zu einem integralen Bestandteil von Schulentwicklung wird und nicht in einer Aneinanderreihung von Einzelprojekten endet. Gesundheitsförderung kann dann erfolgreich werden, wenn sie sich in den unterschiedlichen Aspekten der Entwicklungsaufgaben wiederfindet.“ (BZgA) Das Modell einer guten gesunden Schule weist dafür einen Rahmen und Handlungsleitfaden auf (Handbuch Lehrergesundheit [7])

Eine gute gesunde Schule tut viel dafür,

  • dass möglichst alle eine gemeinsame, verbindliche und verbindende Vorstellung von Schule, von Unterricht und vom Lehren und Lernen haben,
  • dass sich alle gemeinsam festgelegten Werten verpflichtet fühlen und dementsprechend handeln,
  • dass das Klima durch gegenseitige Unterstützung und Hilfe geprägt ist,
  • dass sie die Vielfalt im Kollegium, in den Klassen und in der Elternschaft als Chance sieht und nutzt,
  • dass die Schule stabile Teamstrukturen aufgebaut hat,
  • dass sie ihren Unterricht kontinuierlich „vom Lernen aus“ weiterentwickelt,
  • dass sie die Lernumgebungen aktiv und gesundheitsförderlich (ergonomisch, bewegungsfreundlich, …) gestaltet,
  • dass sie hohe, aber realistische Leistungsforderungen an sich und die Schülerinnen und Schüler stellt,
  • dass sie in ihrem Leitungshandeln (Schulleitung, Klassenleitung, Teamleitung, …) die Wirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit berücksichtigt,
  • dass sie kontinuierlich ihre eigene Entwicklung im Blick hat und dazu auch den Blick von außen nutzt. [8]

Antje Miksch

 

Prof. Dr. Antje Miksch ist Professorin für Modern Health Science mit dem Schwerpunkt Personenzentrierte Gesundheitsförderung an der EH Darmstadt. Sie lehrt in den Studiengängen Lebensweltorientierte Gesundheitsförderung und Pflege- und Gesundheitswissenschaften. Schwerpunkte ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit sind die Synergie von Achtsamkeit und Gesundheitsförderung, die Etablierung von Achtsamkeit im Hochschulkontext sowie die Implementierung eines hochschulischen Gesundheitsmanagements. Sie hat vielfältige Weiterbildungen absolviert (u.a. systemisches Coaching und Organisationsentwicklung, Systemisch- integratives Stressmanagement und MBSR). Freiberuflich ist sie tätig als MBSR Lehrerin, Coach und Trainerin für Einzelpersonen und Organisationen, mehr auf ihrer Website.

[1] WHO, Ottawa Charta

[2] Pörtner M, Portmann M, Indergand P (2022): Ernstnehmen Zuhören Erfahrungen ermöglichen. Personzentrierte Haltung in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Klett-Cotta

[3] WHO, Faktenblatt psychische Gesundheit

[4] Initiative Gesundheit und Arbeit (2021). IGA Fakten Stärken stärken. https://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Fakten/Dokumente/Publikationen/iga.Fakten11_Staerken_staerken.pdf

[5] Miksch, A; Ostermaier, H. (2023). Achtsamkeit im Studium. Gesundheitsfördernde Persönlichkeitsentwicklung durch Wohlbefinden und Gestaltungskompetenz. P-OE 1+2 2023, Sonderheft Gesunde Hochschule. 

[6] WHO 1986: Ottawa Charta

[7] http://www.handbuch-lehrergesundheit.de/downloads/Leitfaden_Gelingensbedingungen.pdf

[8] BZgA, grundgesund https://grundgesund.bzga.de/gesundheit-in-der-schule/was-ist-gute-gesunde-schule/

Gesund durch den Schulalltag

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  • Gesundheitsförderung: ThitareeSarmkasat / istock