Entspannte Schülerin

Hilfe, ein Blackout!

Adrian Bröking fördert Achtsamkeit an seinem Gymnasium. Hier beschreibt er eine Übung und Anwendung aus der Praxis: Wie Achtsamkeit hilft mit Blackouts umzugehen.

PORTAL FÜR ACHTSAMKEIT IN DER PÄDAGOGIK

In der Achtsamkeits-AG unseres Berliner Gymnasiums frage ich vor einigen Tagen einen Jungen aus der 9. Klasse, ob er eigentlich Achtsamkeit auch irgendwann im Alltag außerhalb unserer Treffen praktizierte. Er überlegt kurz und meint dann: „Na ja, den Trick mit der Dankbarkeit wende ich öfters an“.

Ich weiß zunächst nicht, was er meint. Dann erinnere ich mich an eine Sitzung aus dem vergangenen Frühjahr. Damals erzählte ein Siebtklässler, er habe regelmäßig bei Klassenarbeiten Blackouts. Er fragte mich, was man in solch einer Situation tun könne. Ich schlage der Gruppe daraufhin spontan ein kleines Experiment vor.

Übung Sorge und Dankbarkeit

Wir setzen uns aufrecht hin und konzentrieren uns auf unseren Atem.

Dann lade ich die Schüler*innen ein, sich eine Situation zu vergegenwärtigen, in der sie einmal Angst hatten. Es soll keine allzu dramatische Situation sein, vielleicht eine Klassenarbeit, in die sie mit unwohlem Gefühl gegangen waren. Wir malen uns die Situation unter Vergegenwärtigung aller Sinneswahrnehmungen aus und üben uns darin, die unangenehme Emotion im Körper so gelassen wie möglich zu spüren.

Dann bitte ich die Schüler*innen, sich ein Ereignis oder eine Person ins Gedächtnis zu rufen, für die sie dankbar sind. Wir verbringen ein paar Minuten damit, der Reihe nach solche Momente laut auszusprechen und erspüren die Emotion der Dankbarkeit in unseren Körpern.

Schließlich leite ich die Gruppe wieder zur Atembeobachtung zurück und beende die Übung. Anschließend frage ich die Teilnehmenden nach ihren Erfahrungen.

Bei unserem Experiment waren alle dazu in der Lage gewesen, sich über die Visualisierung eines unangenehmen Momentes mit dem Gefühl von Angst zu verbinden und sie im Körper zu spüren. Und bei allen war nach der Dankbarkeitsmeditation von dieser Angst nichts mehr übrig geblieben. Die Schüler*innen waren beeindruckt.

Fight – Flight – Freeze

Ich erläuterte ein wenig den evolutionsbiologischen Hintergrund: Als Säugetiere reagieren wir in Angstsituationen instinktiv mit einer Schockstarre (Fight – Flight – Freeze). Vor tausenden von Jahren konnte uns diese Reglosigkeit vielleicht davor bewahren, dass uns ein Raubtier entdeckte oder fraß. Heute dagegen hilft sie bei Prüfungsangst überhaupt nicht weiter.

Was passiert beim Blackout: Die Lähmung führt mental dazu, dass unser Zugang zum Gedächtnis vorübergehend versperrt ist und wir die gelernten Wissensbestände nicht abrufen können.

Wenn wir die Angst über die Fokussierung positiver, mit Dankbarkeit verbundener Erinnerungen gleichsam durchtränken und so abschwächen, dann können wir den Klammergriff der Angst lösen. Wir entspannen uns und auf diese Weise erlangen wir den Zugang zum Gelernten zurück. Ich bat die Schüler*innen, das mal bei einer der nächsten Prüfungen auszuprobieren.

Monate später erfahre ich nun also ganz beiläufig: „Der Trick mit der Dankbarkeit funktioniert!“

Adrian Bröking

Adrian Bröking ist Lehrer an einem Berliner Gymnasium. In einer Krise 2011 stieß er auf die Achtsamkeit und machte einen MBSR-Kurs. Seit 2012 integriert er Achtsamkeit in den Unterricht und macht Angebote für Schüler:innen und Kolleg:innen. Er betreibt einen eigenen Blog.

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