Waves Of Action – eine Initiative für Jugendliche

Zwei Wochen verbringen engagierte Jugendliche in einem Sommercamp und lernen das Ökosystem Meer kennen und schützen. Sie machen Erfahrungen in der Gemeinschaft und mit sich selbst, was sie für ihren persönlichen Weg klärt und stärkt.

PORTAL FÜR ACHTSAMKEIT IN DER PÄDAGOGIK

Das Gespräch führte Mike Kauschke.

Was ist das Anliegen des Projekts „Waves Of Action“?

Jana Steingässer: „Waves of Action“ ist die Jugendinitiative der „Okeanos Stiftung für das Meer“. Damit wollen wir Jugendliche und junge Erwachsene an das Ökosystem Meer heranführen und im gesellschaftlichen und ökologischen Engagement unterstützen. Der Fokus liegt auf Erleben und Tun. Wir bieten die Möglichkeit, mit dem Meer in Kontakt zu kommen, eine Verbundenheit zu spüren mit diesem Lebensraum.

Aus diesem Grund veranstalten wir in den Sommermonaten „Ocean Camps“ im Mittelmeer, wo wir einen Katamaran zur Verfügung stellen. Sie dauern zwei Wochen. Am Anfang sind die Jugendlichen an Land und setzen sich mit Meeresbiologie, Nachhaltigkeit und den Zusammenhängen von Ökosystemen auseinander.

Im Zentrum steht das eigene Erleben.

Mit welchen praktischen oder konkreten Erfahrungen sind die Jugendlichen beim „Ocean Camp“ auf See unterwegs?

Steingässer: Jedes Camp hat maximal sieben Teilnehmer*innen, weil wir nicht mehr Platz auf unserem Katamaran haben. Bevor wir in See stechen, erklärt unsere Crew die meeresbiologischen Besonderheiten des Mittelmeers. Da wir in einem Wal-Schutzgebiet unterwegs sind, ist die Rolle der Meeressäugetiere ein Thema.

Auch in Küstennähe gibt es Ökosysteme im Meer zu entdecken, wie zum Beispiel die Seegraswiesen, die sehr wichtig sind. Die Jugendlichen nehmen Wasserproben, die sie unter dem Mikroskop untersuchen, um zu schauen, was im Meer lebt. Dabei gibt es einen naturwissenschaftlichen Aspekt, aber es geht darum, die Besonderheiten des Mittelmeerraums zu entdecken.

Im Zentrum steht das eigene Erleben. Beim Schwerpunkt Nachhaltigkeit untersuchen wir, was gesunde Ökosysteme für uns bedeuten und wie wir darauf Einfluss nehmen: Wie können wir von einem negativen Fußabdruck zu einem positiven Handabdruck kommen? Dabei gibt es auch einige Herausforderungen. Wir geben den Jugendlichen zum Beispiel die Aufgabe, an Bord eine Mahlzeit mit dem kleinstmöglichen Fußabdruck zu kochen. Dazu gehört, zu erklären, warum sie bestimmte Lebensmittel ausgewählt haben.

Viele Jugendliche sind überfordert, wenn sie an die Zukunft denken, die auf sie zukommt.

Wie werden Achtsamkeit und Selbstfürsorge mit in die Camps eingebunden?

Steingässer: Achtsamkeit und Selbstfürsorge sind Teil des Programms. Der Tag beginnt mit kurzen Meditationen und über den Tag verteilt gibt es weitere kleine Übungen. Es geht darum, einen Einstieg zu bekommen. Ein Gespür dafür, was es bedeutet, wenn ich mich darauf einlasse. Wenn ich mich zum Beispiel 15 Minuten ans Meer setze und zehn Fragen an den Ozean formuliere.

Wir merken auch immer wieder in Gesprächen mit sehr engagierten Jugendlichen, z. B. bei „Fridays for Future“, dass viele abspringen, weil es zu viel wird. Man verschätzt sich leicht mit den eigenen Kräften vergisst, dass man sich um sich selbst kümmern muss, um im Außen wirken zu können. Viele Jugendliche sind überfordert, wenn sie an die Zukunft denken, die auf sie zukommt. Auch die Fülle der Möglichkeiten bei der Berufswahl erleben viele als überfordernd. Diese Gefühle der Überforderung und Angst werden thematisiert.

Achtsamkeit kann eine Unterstützung sein, sich selbst besser wahrzunehmen: Wer bin ich, was tut mir gut, welchen Weg will ich gehen, wo kann ich meine Fähigkeiten einbringen? Dahinter steht die Einsicht, dass ich mich nur engagieren kann, wenn ich im Inneren stabil bin und meine eigenen Grenzen kenne.

In der Achtsamkeit geht es auch um die Erfahrung von Verbundenheit. Wie erleben das die Jugendlichen in der Beziehung zum Ozean?

Steingässer: Es gibt große Unterschiede darin, wie die Jugendlichen auf dem Katamaran ankommen. Einige sind erst mal einen Tag lang seekrank. Manche sind noch nie allein verreist, waren noch nie in einer heißen Region oder waren noch nie auf dem Meer unterwegs. Die Erfahrung, auf dem Wasser zu sein, ist für viele beeindruckend.

Der Katamaran ist sehr ruhig, er hat keinen lauten Motor. Die Bedingungen an Bord sind simpel. Ich vergleiche es mit einem einfachen Zelt auf dem Wasser. Man ist in einer kleinen Gruppe auf sehr engem Raum wie auf einer kleinen Insel. Man hat begrenzte Ressourcen zur Verfügung, für das Trinkwasser haben wir beispielsweise eine Entsalzungsanlage, die über Solarenergie betrieben wird.

Auf dem Ozean werden die Sinne geschärft. Du bist weg vom Lärm, die Zeitwahrnehmung verändert sich. Alle Referenzpunkte, die wir vom Land kennen, sind verschwunden. Und dann gibt es manchmal diese ganz besonderen Begegnungen mit Meeressäugetieren, wenn eine Gruppe Pottwale, Finnwale oder Delphine um den Katamaran schwimmen. Man hat das Gefühl, sie wollen mit uns in Verbindung treten. Das ist für alle eine sehr beeindruckende Erfahrung.

Wie erleben die Jugendlichen die Verbundenheit in der Gemeinschaft?

Steingässer: Das Gemeinschaftsgefühl, das in so einer Situation auf dem Schiff entsteht, ist für viele etwas ganz Besonderes. Auch die Verbundenheit in einer sehr heterogenen Gruppe. Sie respektierten sich in ihrer Andersartigkeit, in ihrem unterschiedlichen Sein. Bei einigen Gruppen gab es anfangs eine gewisse Skepsis, gleichzeitig die Hoffnung auf eine gemeinsame Basis, weil sich alle für so ein spezielles Thema interessieren.

Aber weil es für alle ein Abenteuer ist, bei dem man sich auf etwas ganz Neues einlässt, entsteht eine enge Verbindung. Am Ende der Zeit gibt es häufig ein schönes Bild: Am Katamaran ist vorne zwischen den Rümpfen ein Netz, in dem man tagsüber oft sitzt. Es ist der schönste Ort, um ganz nah über der Wasseroberfläche dahinzugleiten und Ausschau zu halten, ob man Wale oder Delfine sieht oder auch nur um nachzudenken oder einfach da zu sein. In der Regel legen sich am Ende der Woche die Jugendlichen über Nacht zum Schlafen mit ihren Schlafsäcken und Kissen in dieses Netz.

 

Was lernen die Jugendlichen durch solch ein Camp, nicht nur an Wissen, sondern auch auf persönlicher Ebene?

Steingässer: Wir erhalten oft die Rückmeldung, dass bei den Jugendlichen das Vertrauen in sich selbst wächst. Sie erleben Situationen, die sie sich bisher nicht vorstellen konnten, wie zum Beispiel beim Segeln zu helfen. Jeder der Teilnehmenden macht eine Nachtschicht und unterstützt die Crew beim Segeln.

Einmal in dieser Woche gibt es 24 Stunden lang ein komplettes „Digital Detox“. Wir zwingen niemanden dazu, aber bisher hat sich auch niemand geweigert. Es passiert automatisch, dass sie die Handys weglegen. Das kann die Jugendlichen unterstützen, sich mehr auf Gehör, Geruch, Sicht, Wellen und Wind einzulassen: Was siehst du? Was erlebst du, was hörst du? Man lernt, die Zeichen des Meeres zu lesen und gewinnt ein tieferes Vertrauen in die eigene Wahrnehmung.

Es geschieht also ein Lernen auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen das Lernen für den persönlichen Weg, zum anderen das naturwissenschaftliche Wissen. Manchen wird in dieser Zeit klarer, was sie beruflich machen wollen. Eine Teilnehmerin hat jetzt bei mir ein Praktikum gemacht und möchte im Bereich Ozeanschutz tätig werden. Bei einem Teilnehmer hat sich ein herausragendes Talent im Bereich visuelle Umsetzung gezeigt. Er hat beim Camp wunderschöne Bilder und Videos gemacht, die wir jetzt nutzen. Manche entdecken Talente, die ihnen nicht bewusst waren, vielleicht auch im sozialen Umgang miteinander.

Bei den Aktivisten der „Letzten Generation“, die ja gerade in der medialen Aufmerksamkeit sind, spürt man eine Verzweiflung und die Angst, dass wir nicht genug gegen die Klimakrise tun. Erleben Sie solche Gefühle auch bei den Jugendlichen, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Steingässer: Das Gefühl der Dringlichkeit ist durch die „Letzte Generation“ noch stärker geworden: Wir haben nur noch zehn Jahre zum Handeln, um die Klimakatastrophe abzuwenden oder zumindest abzumildern. Wir sind die letzte Generation, die etwas bewegen kann. Dadurch entsteht ein unfassbarer Druck. Den spüren wir nicht unbedingt bei den Jugendlichen in den Camps, aber bei anderen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir haben ein Pilotprojekt mit einer Darmstädter Schule gestartet, da sind Jugendliche dabei, die starke Zukunftsangst haben. Die sind in ihren Ängsten erstarrt.

Deshalb gehört zu unserem Ansatz, den Jugendlichen zu helfen, ins Spüren zu kommen und dabei können Achtsamkeit und Selbstfürsorge unterstützen. Aber wichtig ist auch, einfach mal Spaß zu haben. Wir möchten, dass sie eine schöne Zeit zusammen erleben. Daraus kann sich der Wunsch entwickeln, sich zusammen zu engagieren, was auch Spaß machen darf.

Danke für das Gespräch!

Weitere Infos zum Projekt Waves of Action

  • Waves of Action ist eine Initiative, bei der Jugendliche für den Weg, den sie im Engagement gehen wollen, ganz individuelle Unterstützung bekommen.
  • Waves of Action bietet Workshops zu unterschiedlichsten Themen an.
  • Um die Vernetzung unter den Jugendlichen zu unterstützen, wird ein Onlineportal für den digitalen Austausch aufgebaut. Zweimal im Jahr ist ein größeres Begegnungswochenende geplant, um in den direkten Austausch zu kommen.

 

Hier kommen Sie auf die Seite von Waves of Action.

Mike Kauschke ist Autor, Übersetzer, Dialogbegleiter und Redaktionsleiter des Magazins evolve. Mehr über ihn und seine Arbeit finden Sie auf seiner Seite.

Bildquellen dieser Seite anzeigen

  • Waves Of Action: Manolo Ty
  • Waves of Action: Antonius Scheffler
  • Waves of Action: Antonius Scheffler
  • Waves of Action: Antonius Scheffler
  • Waves of Action: Okeanos
  • Waves of Action: Antonius Scheffler
  • Mike Kauschke: privat