Wie Meditation die Unternehmenskultur unterstützt

Guter Ratgeber für Führungskräfte und Angestellte, die Inspirationen und Best Practice-Beispiele suchen – mit einem breiten Überblick über verschiedene Techniken und Formate zu den Themen Achtsamkeit und Meditation im Unternehmen.

PORTAL FÜR ACHTSAMKEIT IN DER PÄDAGOGIK

Rezension von Stefanie Uhrig

Wäre es nicht toll, wenn wir ganz einfach leistungsfähiger werden, in einer schönen Atmosphäre arbeiten und glücklicher sein könnten? Das geht, mit Achtsamkeitskursen! Oder?

So einfach ist es natürlich nicht, auch wenn sich der eine oder die andere Unternehmerin das sicher wünschen würde. Tatsächlich sehen manche Führungskräfte Achtsamkeitskurse als Allheilmittel an, so als könnten Stress und ungünstige Strukturen durch ein bisschen Meditation verschwinden.

Diesen Zahn ziehen Paul Kohtes und Nadja Rosmann gleich zu Beginn ihres Buches „Mit Achtsamkeit in Führung“. Denn meist funktionieren Lebens- oder Arbeitsverbesserungen durch Meditation gerade dann besonders schlecht, wenn sie das Ziel der Übung sind. Immerhin soll es bei der Achtsamkeit zunächst einmal darum gehen, die Dinge wahrzunehmen, wie sie sind, ohne zu werten oder auf einen bestimmten Nutzen hinzuarbeiten.

Dennoch können Achtsamkeitsübungen und -kurse in Unternehmen tatsächlich eine Bereicherung sein, erklärt das Autorenduo. Das zeigen sie anhand von wissenschaftlichen Studien – wenn auch sie dabei stellenweise sehr begeisterungsfähig und etwas unkritisch mit den Ergebnissen umgehen. Die klare Botschaft ist aber: Richtig angewandt ist Meditation eine super Sache. Wie das klappen kann und welche Möglichkeiten es bereits gibt, zeigen sie ausführlich im Buch.

Ein wichtiger Punkt ist dabei die Individualität: Es gibt nicht die eine Lösung für jedes Unternehmen oder gar für jede Person innerhalb der Strukturen. Menschen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften ebenso wie in ihren Rollen in der Arbeitswelt und im Privatleben. Manche Leute bevorzugen eine Meditation im Sitzen, andere bewegen sich gerne dabei, und wieder anderen fällt es sehr schwer, sich überhaupt darauf einzulassen.

Wie passt Achtsamkeit in unser Unternehmen

Damit umzugehen bedeutet, ganz genau zu überlegen, welche Kurse möglicherweise zum eigenen Unternehmen passen könnten und wo man die Angestellten abholen muss. Das zeigen Kohtes und Rosmann exemplarisch an einem religiösen Menschen mit kirchlicher Kontemplationserfahrung, einem gestressten Marketingexperten mit Interesse an der wissenschaftlichen Forschung und einer Walldorfkindergarten-Leiterin mit Vorkenntnissen in der Meditation. Dabei wird schnell klar: Es wird wohl kaum einen Kurs geben, der für alle drei passt.

Individuell auf die Bedürfnisse einzugehen, ist sicher in einigen Unternehmen leichter als in anderen. Eine große Firma kann möglicherweise verschiedene Meditationen zur Wahl anbieten. Möchte ein Arbeitgeber aber eine ganze Abteilung auf ein Achtsamkeits-Retreat einladen, wird es schon komplizierter. Auch deshalb, weil manche vielleicht gar nicht bereit sind, sich wirklich auf die Erfahrung einzulassen. Solange die Teilnahme nicht freiwillig ist, fühlen sich manche vermutlich eher überrannt und blockieren erst recht.

Unternehmensstrukturen überdenken

Gleichzeitig ist es wenig sinnvoll, die Achtsamkeit an einem Tag pro Woche eine Stunde lang zu praktizieren (oder ein Wochenende damit zu verbringen) und in der restlichen Zeit ein stressiges, wertendes und eben nicht wertschätzendes Umfeld zu bieten. Wer Achtsamkeit in das Unternehmen bringen möchte, muss unter Umständen die gesamten Strukturen überdenken.

Ein Lösungsvorschlag von Kohtes und Rosmann ist es, Achtsamkeitsübungen in verschiedene Situationen im Arbeitsalltag einzubauen und sie so nahtloser einzupassen. Damit wäre es auch leichter, auf die individuellen Vorlieben und Bedürfnisse einzugehen – und das Gelernte vielleicht sogar mit ins Privatleben zu nehmen, inklusive einer gesunden Work-Life-Balance.

Möglich wäre auch, zunächst das Führungsteam in Achtsamkeit zu unterrichten. Dabei fallen vielleicht Dinge auf, die verändert werden können, ohne dass alle Mitarbeitenden an Kursen teilnehmen. Oder die Erfahrungsberichte der Vorgesetzten motivieren skeptische Kolleg*innen letztendlich, es doch selbst einmal auszuprobieren.

Meditationsformen & Best Practices

Zu Beginn des Buches gibt es eine ausführliche Erklärung verschiedener Meditationsarten. So bekommen die Lesenden gleich einen Überblick und finden sich im Folgenden besser zurecht, wenn von den unterschiedlichen Kursen die Rede ist.

Das Autorenteam liefert immer wieder Beispiele dafür, wie es funktionieren kann oder wo es bereits gut klappt. Ein großer Teil des Buches ist den „Best practices“ gewidmet: der konkreten Umsetzung. Dabei gibt es detaillierte Informationen zu bestimmten Programmen, deren Zielen und Methoden und ihrer Wirkung im Arbeitskontext. Außerdem werden Kursleiter*innen vorgestellt und sogar Kontaktdaten geliefert. (Dass dabei das Angebot für Führungskräfte von Paul Kohtes zuerst genannt wird, ist aus Marketing-Sicht nachvollziehbar und zudem sehr transparent dargestellt.)

Gut strukturierter Ratgeber für Führungskräfte

Die klare Strukturierung und verständliche Schreibweise machen das Buch interessant für Führungskräfte und Angestellte gleichermaßen, die etwas ändern möchten und nach Inspiration suchen. Wer an einem Ort arbeitet, wo Achtsamkeit noch ein Fremdwort ist, kann die Idee anstoßen – oder zumindest für sich selbst überlegen, ob eine Form von Meditation wünschenswert ist.

Der große Überblick über mögliche Techniken und Angebote macht zudem deutlich, dass es Lösungen für verschiedenste Situationen gibt, solange die Umstände und die Bedürfnisse gut mitgedacht werden. Ein weiterer Bonus: Viele der erklärten Prinzipien und Ideen lassen sich ebenso auf Universitäten oder Schulen anwenden.

Hier und da funktioniert die Übertragung nicht vollständig, da müssten dann die Menschen in Entscheidungsfunktionen selbst ein wenig nachdenken, wie die Achtsamkeit in der konkreten Situation sinnvoll ist. Dennoch bieten Kohtes und Rosmann Denkanstöße, die auch für Menschen und Organisationen außerhalb des Unternehmenskontexts hilfreich sein könnten.

Dr. Nadja Rosmann, Kulturanthropologin und Trainerin für Entspannungsverfahren, beschäftigt sich als Journalistin, wissenschaftliche Projektmanagerin und Beraterin seit mehr als 15 Jahren mit Identität in der Arbeitswelt, Leadership, Meditation und Stressmanagement. In ihrem Weblog berichtet sie regelmäßig über Trends rund um ein authentisches Business. Hier geht es zum Weblog.

Paul J. Kohtes ist einer der führenden Berater für Unternehmenskommunikation in Deutschland. Seine Spezialgebiete: Führungskräfte- Coaching und Zen-Meditation. Außerdem ist er Gründer der Identity Foundation, die mit dem Meister Eckhart Preis einen der angesehensten Wissenschaftspreise verleiht.

Paul J. Kohtes und Nadja Rosmann. Mit Achtsamkeit in Führung. Was Meditation für Unternehmen bringt. Grundlagen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Best Practices. Klett-Cotta 2014

Stefanie Uhrig ist freie Wissenschaftsjournalistin und promovierte Neurowissenschaftlerin. Sie schreibt Texte über Psychologie, Neurowissenschaften und Medizin für online- und Printmedien. Ehrenamtlich engagiert sie sich bei Kiwanis, einer Charity-Organisation für Kinder. Zu ihrer Website.

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  • Stefanie Uhrig: privat