Yoga mit Jugendlichen in der Schule

Der coolste Junge der Schule macht Yoga? Ja, das ist möglich! Sozialpädagogin und Yogalehrerin Sandra Gumpinger erzählt von den Schwierigkeiten Jugendliche zum Schul-Yoga zu motivieren und wie sie es geschafft hat.

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Als Sozialpädagogin in einem österreichischen Internat biete ich unseren Schüler*innen einmal wöchentlich Yogaunterricht an. Unter den 14 bis 19-jährigen Jugendlichen sind nur wenige Jungs, die dieses Angebot annehmen. „Yoga? Das ist ja was für Mädchen“, höre ich in der sonst sehr gender-flexiblen Generation immer wieder.

Hin und wieder fordere ich die Kandidaten, die dieses Zitat bringen, zu einer kleinen Kraft-Challenge heraus. Danach sind sie meist davon überzeugt, dass Yoga wesentlich mehr ist, als verbiegen, stretchen und am Boden rumliegen. Denn zahlreiche Asanas (Körperstellungen) sehen einfach aus, benötigen aber erstaunlich viel Muskelkraft. Auch Akrobatikyoga-Übungen funktionieren immer wieder als Lockmittel.

„Yoga? Das ist ja was für Mädchen“, höre ich in der sonst sehr gender-flexiblen Generation immer wieder.

Einmal jährlich finden an unserer Schule die Tage der offenen Tür statt. An diesen beiden Tagen sind alle Schüler*innen in unterschiedlichen Bereichen zum Mitwirken eingeteilt. In diesem einen Jahr hatte ich eine besondere Idee. Ich nutzte die Momente, in welchen sich die „coolen“ Jungs über ihre Arbeitseinteilung im Schulbereich beschwerten, und machte ein Angebot: „Ich brauche noch Unterstützung zur Vorstellung des Freizeitprogramms. Ich kann eure Lehrkräfte überzeugen, euch bei mir einzuteilen. Wir spielen Tischtennis, Basketball und machen ein bisschen Yoga…“ Die Alternative wurde gern angenommen.

Für diese beiden Tage bereitete ich unseren Yoga-Raum besonders gut vor: ich verwendete gedämmtes Licht, Raumduft und meditative Musik. Die Wohlfühl-Atmosphäre sollte deutlich spürbar sein. Meine Jungs-Truppe fand das gar nicht so toll: „Was soll der Sound? Das ist ja wie in der Kirche…“, maulte Tristan, der Rädelsführer. „Da kommen wir später darauf zurück, starten wir im Turnsaal mit Basketball.“ Den ganzen Nachmittag über hatten wir jede Menge Spaß und so auch viel Gelegenheit uns kennenzulernen und in Beziehung zu treten. Das Präsentieren der Freizeitmöglichkeiten gefiel den Jungs richtig gut und mit diesem Schwung ging ich dann auch zum Yoga über.

Ich startete mit einigen fordernden Flows – fließende Bewegungsabläufe, bei welchen man ganz schön ins Schwitzen kommen kann. Dann experimentierten wir gemeinsam mit akrobatischen Yogastellungen. Ihre Vorurteile schienen die Jungs mittlerweile einigermaßen abgelegt zu haben. Am Ende des ersten Tages sperrte ich schließlich den Raum von innen ab. „So, ihr habt euch nun eine schöne End-Entspannung verdient, ohne Zuschauer. Die Zeit gehört jetzt ganz euch.“

Bereitwillig nahmen alle auf den Matten die Position für die Schlussenspannung Savasana ein und ich begann mit einer meditativen Reise durch den Körper. Den Fokus legte ich dabei darauf, den Unterschied zwischen An- und Entspannung im Körper zu fühlen. Minute für Minute kehrte mehr Ruhe ein und am Ende der zwanzig Minuten war der ganze Raum erfüllt von absolutem Frieden.

Ich ließ die Gruppe ein paar Minuten in diesem Zustand verweilen und holte sie dann mit sanften Sätzen zurück ins Hier und Jetzt. Ein Junge nach dem anderen räkelte sich genüsslich und richtete sich langsam auf. Alle, bis auf Tristan. Der blieb völlig bewegungslos liegen. „Bist du ok, Tristan?“, fragte ich schließlich. „Boooaaah,…“, kam zur Antwort, „das ist das Beste was ich je erlebt hab!“ Ich grinste zufrieden und blickte in die Runde. „Danke euch allen für’s Mitmachen. Der Tag war großartig. Wir sehen uns morgen um 9 Uhr.“

Am folgenden Tag, Teil zwei der offenen Tür, kam ich bereits zehn Minuten vor Beginn in den Freizeitbereich, um alles für unsere Aktivitäten vorzubereiten. Aber ich war nicht die Erste: Tristan lag, ausgestreckt in Savasana, im Yogaraum und ohne dabei die Augen zu öffnen flötete er mir zu: „Guten Morgen, Frau Gumpinger, können Sie bitte wieder diese Musik aufdrehen? Da kann ich mich noch viel besser entspannen.“ Mit dieser Überraschung habe ich nicht gerechnet. Aber jetzt weiß ich: für das wöchentliche Yogaangebot gibt es einen neuen Fan.

„Können Sie bitte wieder diese Musik aufdrehen? Da kann ich mich noch besser entspannen.“

Nach dieser Erfahrung habe ich mir viele Gedanken dazu gemacht, was es braucht, um desinteressierte Menschen für Yoga zu interessieren. In diesem Fall hat mir sehr geholfen, dass wir zuerst einmal unabhängig vom Yoga miteinander Spaß hatten und eine vertrauensvolle Beziehung zwischen uns entstand. Das machte es den Jugendlichen deutlich leichter, sich auf die gemeinsame Yogapraxis überhaupt einzulassen.

Eine vertrauensvolle Beziehung ist eine gute Ausgangsbasis, um Vorurteile abzulegen und sich auf Neues einzulassen.

Aber was hat sie überzeugt?

Der unumgängliche Schlüssel liegt meiner Meinung nach in der direkten Erfahrung der positiven Wirkung. Viele Menschen stehen tagtäglich unter Druck und Stress. Ihre Körperanspannung ist bereits ein Normalzustand, den sie nur selten bewusst wahrnehmen. Yoga ist ein idealer Weg, um wieder mit dem Körper in Beziehung zu treten, An- und Entspannung bewusst wahrzunehmen und in Balance zu kommen. Dieses Gefühl des inneren Friedens und des bewusst-im-Körper-Seins macht glücklich. Und süchtig.

Ihr glaubt es nicht? Fragt Tristan!

Sandra Gumpinger

Sandra Gumpinger, BEd, ist Absolventin des Hochschullehrgangs Achtsamkeit in Bildung, Beratung und Gesundheitswesen. Sie arbeitet als Sozialpädagogin im Bundesschülerheim der Tourismusfachschule Krems in Niederösterreich, wo sie gemeinsam mit Jugendlichen Meditation und Yoga praktiziert. Zusätzlich ist sie freiberuflich als Achtsamkeitstrainerin, Mentaltrainerin und Yogalehrerin tätig. Hier kommen Sie auf ihre Seite.

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  • Yoga mit Teenagern: fizkes / istock