Einander zuhören

Zuhören wie Momo

Wenn Führungspersonen ein Mitarbeiter*innen-Gespräch bewusst führen und gut zuhören können, hat dies einen Einfluss auf die gesamte Arbeitsatmosphäre. Warum Zuhören so wichtig ist, weiß Kita-Coach Barbara Leitner.

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Momo, das kleine Mädchen in der Geschichte von Michael Ende, konnte so zuhören, dass die Ratlosen und Unentschlossenen genau wussten, was zu tun ist. Die Schüchternen wurden frei und die Bedrückten zuversichtlich und froh.

In diesem Sinn kann es Welten eröffnen, einander wirklich zuzuhören. Dennoch wird diese Fähigkeit in ihrer Qualität bei Führungskräften oft unterschätzt. Dabei ermöglicht das empathische Zuhören die inneren Beweggründe eines anderen Menschen kennenzulernen und besser zu verstehen.

In Momenten, in denen Sie sich für ein Gespräch mit Kolleg*innen entscheiden, gilt es am besten Momo-Qualitäten zu entwickeln.

Der richtige Moment für ein Gespräch

Von vielen Leiter*innen kenne ich die Aussage: „Ich habe für meine Kolleg*innen fast immer die Tür offen und gebe ihnen Raum für ihre Sorgen und Nöte. Ich bin eine gute Zuhörerin.“ Aber: Stimmt das wirklich?

Nehmen wir ein Beispiel. Eine Kollegin kommt in Ihr Büro. Sie gehört erst seit drei Monaten zu ihrem Kita-Team. Das ist dabei sich neu zu organisieren, sodass auch die junge Kollegin bald einen Teil der Gruppe selbständig führen soll. Nun möchte sie reden.

Wo sind Sie mit ihrer inneren Aufmerksamkeit gerade? Sind Sie offen, die Kollegin zu empfangen und ihr zuzuhören, was ihr wichtig ist? Haben Sie eigene Ideen, Erwartungen und auch Urteile über das Team und die Umstrukturierung? Oder sind Sie vielleicht unter Druck, weil noch eine Anforderung vom Träger zu erfüllen ist und in 20 Minuten Eltern zum Gespräch kommen?

Oft sind wir mit unserer Aufmerksamkeit nicht beim Gegenüber. Deshalb ist es gut, innezuhalten, wenn jemand mit der Bitte um ein Gespräch vor einem steht. Oft genügen ein, zwei Atemzüge, um etwas Abstand zu bekommen und eine Wahl zu treffen, was jetzt Priorität hat. Ist das der richtige Moment für das Gespräch? Wie viel Aufmerksamkeit kann ich der Kolleg*in oder dem Kollegen jetzt schenken?

Innere Klarheit und bewusste Entscheidungen

Es geht darum mit der ganzen Aufmerksamkeit und Präsenz da zu sein und nicht wie ein Fähnchen im Wind getrieben zu werden. Ist eine Leitungskraft tatsächlich mit sich selbst verbunden, kann sie entscheiden, was ihr im Moment wichtig ist bzw. Priorität hat. Sie kann dann z.B. sagen:

„Ich möchte Dich gern hören, nur jetzt kann ich nicht. Lass uns morgen um 10Uhr dazu treffen. Bist Du damit einverstanden?“

„Okay, jetzt bist Du da. Ich mache den Computer aus und die Tür zu. (nehme noch einen Atemzug). So, jetzt höre ich Dich und bin ganz bei Dir.“

„Was hältst du davon, wenn ich zu Euer Teambesprechung komme, wenn alle da sind und Du Dich dort mitteilst?“

Neugierig sein auf den anderen

Wenn Sie bereit für das Gespräch sind, können Sie sich dazu entschließen mit Empathie zuzuhören. Dann können Sie als Leiter*in im pädagogischen Alltag durch ihr empathisches Zuhören die Kolleg*innen gut kennenlernen und ihre Motive ergründen.

Achtsam zuzuhören wie Momo bedeutet, zunächst alle Urteile, Erwartungen und Vorstellungen über die Situation und das Gegenüber loszulassen und neugierig zu sein.

Noch einmal zurück zu der jungen Kollegin mit Redebedarf. Vielleicht hat die Berufsanfängerin Zweifel an ihrer Kompetenz, braucht Bestätigung und Zutrauen. Vielleicht gibt es eine Irritation über die Arbeitsweise im Team. Was auch immer es ist, die Chance, ihre Gefühle und Bedürfnisse im Moment aussprechen zu können, werden ihr bei der Klärung helfen.

Sie brauchen oft keine Lösungsvorschläge oder Ratschläge. Das offene Zuhören gibt einen Raum, sich selbst zu helfen. Darüber schreibt Carl Rogers*: „Wenn dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu beurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinem Muster zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an.“

Manchmal müssen Leitende dabei auch Grenzen aufzeigen, denn nicht für alles müssen sie ein offenes Ohr haben und können dann so reagieren: „Für dieses Anliegen stehe ich nicht zur Verfügung. Ich bin dein*e Leiter*in. Besser du gehst mit diesem Anliegen zu einer Freund*in oder suchst dir Hilfe in einer Beratung.“

Zuzuhören ist in diesem Sinne eine Form von Fürsorge für das Wohlbefinden der Kolleg*innen im Interesse der Erfüllung des pädagogischen Auftrags gegenüber den Kindern.

Durch ihr Zuhören mit ungeteilter Aufmerksamkeit verbinden sich Leiter*innen mit ihrem Team und erfahren, was dringend beachtet werden will. Das hilft ihnen bei der Orientierung, die sie dem Team geben.

Barbara Leitner

 

*Carl Rogers war ein US-amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut, dessen besondere Leistung in der Entwicklung der Personenzentrierten Psychotherapie und dem Ausbau der Humanistischen Psychologie besteht.

 

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Klare Worte von der Teamleitung

Barbara Leitner ist Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und arbeitet als Prozessbegleiterin, Trainerin und Coach in Berlin. Sie ist vor allem in Kitas (und Schulen tätig) und unterstützt die Teams darin, sich selbst und Kinder besser zu verstehen. Ihr Wunsch ist es, ein Zusammenleben auf Augenhöhe zu gestalten. Sie arbeitet für verschiedene Fachzeitschriften, koordiniert seit 2014 die Seite Kita-Fachtexte und ist Autorin des Buches "Gewaltfreie Kommunikation in der Kita". Mehr Informationen über Barbara Leitner finden Sie hier.

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  • Barbara Leitner: privat