Das Projekt ABiK bietet fortlaufende achtsamkeitsbasierte Kurse und Weiterbildungen für Studierende und Lehrende an. Diese werden fortwährend evaluiert und weiterentwickelt. Nun wurde das neue Konzept „Achtsamkeit als Basis für Resilienz, Persönlichkeitsentwicklung und Engagement“, in das bestehende Curriculum des „Mindful Teachers Program (MTP)“ und des „Mindful Student Program (MSP)“ eingebettet.
Das Angebot ist als eine Reaktion auf die Fragen und Bedürfnisse der Menschen in der aktuellen Zeit entstanden: Die Anforderungen in der Gesellschaft werden komplexer, die Zukunft ist nicht (mehr) kalkulierbar. Daraus können stressbedingte Erkrankungen sowie Zukunfts- bzw. Klimaangst entstehen. Um dem entgegenzuwirken braucht es umfassende Veränderungsprozesse. Als Basis dafür sieht Initiatorin Susanne Krämer von der Universität Leipzig eine Bewusstseinsbildung, die ein verändertes Umweltverhalten fördert.
Um das flächendeckend zu erreichen, setzt sie mit ihrem Team bei Angeboten für (Lehramts-)studierende, Lehrer*innen und Hochschullehrende an, für die je zwei Bausteine zur Verfügung stehen: je ein Basiskurs, um die Praxis für sich zu entdecken, und ein Aufbaukurs, in dem es um die Weitervermittlung des Gelernten geht.
Eigene, ethische Werte finden
Das Programm ermöglicht es den Teilnehmenden, „eine Achtsamkeitspraxis zu etablieren, um die Wirklichkeit wahr- und anzunehmen und nach eigenen, ethischen Werten zu gestalten“. Die Entwicklungsspirale beginnt dabei mit „Achtsamkeit“. Es folgt die „Ausrichtung nach Werten“, das „Wissen um Interdependenz“ und schließlich „Engagement“ und die „Integration in den Alltag“.
Umgesetzt wird diese Entwicklung mit einer Vielfalt an Methoden, von meditativen Übungen (MBSR/MBCL), die teilweise in der Natur stattfinden, über psychoedukative Elemente zur Stressreduktion und Emotionsregulation, bis hin zu Methoden wie Achtsamer Dialog, (Selbst-)Mitgefühl, Wertschätzung und Beziehungskompetenz.
Auch der systemische Blick wird geschärft, indem die Interdependenz zwischen Mensch, Mit- und Umwelt erkannt wird. Ein weiteres wichtiges Element ist es, von der Klimaangst ins Handeln zu kommen. Klimaangst kann sich in Verleugnung, Verdrängung oder Bagatellisierung ausdrücken, aber auch in Fatalismus und Verantwortungsübertragung (das müssen andere lösen). Wer durch Angst blockiert ist, kann sich nicht engagieren. Daher ist es wichtig, diese Gefühle zu beachten und aufzulösen.
Begleitet wird das Projekt durch eine Studie zum Thema „pro-ökologisches Verhalten“, die drei Semester lief und 500 Proband*innen umfasste. Es zeigte sich eine signifikante Steigerung des Umweltverhaltens im Vergleich zu den beiden Kontrollgruppen.
„Eine große Erkenntnis bei einem der Blockseminare war, dass Weltschmerz und persönliches Glück oder Zufriedenheit sich nicht ausschließen müssen“, schrieb eine Studentin in der Abschlussreflexion des Seminars. „Ich darf um die Welt weinen und trotzdem muss ich das nicht alles auf meinen Schultern tragen, ich habe das Recht Glück zu empfinden und danach zu streben. Die Sitzmeditation hat mich gelehrt, dass ich mein eigener Anker bin. Ich bin in der Lage mit meinen Gefühlen selbst klarzukommen. Es war außerdem extrem motivierend mir meine eigenen Werte vor Augen zu führen und darüber zu philosophieren, wie ich mein Leben ausrichten und worum ich kämpfen möchte.“
Ein Workshop zum Kennenlernen und Einfühlen
Um das Programm der Universität Leipzig – zumindest in Teilen – selbst ausprobieren zu können, wurde im Anschluss an die Konferenz „Achtsamkeit in der Bildung“ ein Nachhaltigkeitsworkshop angeboten. Die Nachfrage war groß. Es kamen 80 Interessierte in vier Workshops in den Genuss, das Projekt kennenzulernen und zu erspüren. Unter den Teilnehmenden waren Studierende, Lehrkräfte, Dozierende aus der Lehrkräftebildung sowie viele andere Professionen aus dem Kontext Schule.
„Der Workshop war geprägt von praktischen Übungen in Paaren oder Gruppen“, erklärt Teilnehmer Lukas Lamoller, Biologielehrer aus Hamburg. „Die Übungen haben bei mir Reflexionsprozesse zu meiner eigenen Rolle beim Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit angestoßen und auch in der Gruppe zu interessanten Diskussionen geführt.“ In mehreren der Workshops kam zum Beispiel die Frage auf, ob es nicht besser wäre, sich mit der Bewältigung von kommenden Problemen zu beschäftigen statt mit dem eigenen Handeln oder Nichthandeln.
„Mir ist positiv aufgefallen, dass kritische Fragen sehr offen aufgenommen wurden“, so Lamoller. „Es war schön, zu erfahren, wie mit einer achtsamen Perspektive bzw. in einer achtsamen Gemeinschaft schwierige Themen, unterschiedliche Gedanken und Meinungen so konstruktiv und respektvoll angegangen werden können.“ Er sieht es als wünschenswert an, wenn es in der Gesellschaft im Ganzen so einen respektvollen Umgang geben könnte, unabhängig davon, wie man zur Rolle des Einzelnen in unserer globalen Krise steht“.
Angebote wie die Seminare und Workshops für Studierende, Lehrkräfte und Hochschullehrende können Multiplikatoren für die Zukunft sein und eine große Reichweite erzielen, um Menschen raus aus der Angst und hinein ins Handeln zu begleiten. „Wir können unser Kümmern um die Umwelt als Akt der Selbstliebe verstehen“, sagt Susanne Krämer. Dieses Konzept darf nun weitere Kreise ziehen. Aktuell startet ein Pilotprojekt in Sachsen mit 30 Schulen.
Marika Muster
Hier kommen Sie zu den Angeboten an der Universität Leipzig.
Ernte und Ausblick – Konferenz Achtsamkeit in der Bildung in Leipzig
„Wissen und Technologien sind da, es braucht einen Bewusstseinswandel“
Marika Muster ist Journalistin und hat mehrere Jahre als Lehrerin und Lernbegleiterin an verschiedenen Schulen in Schleswig-Holstein gearbeitet. Sie hat viel Erfahrung in der Erwachsenenbildung (z.B. Schulfach Glück) und in der Seminarleitung mit Jugendlichen (Klimagipfel des BUND). Sie hat "Schulfach Achtsamkeit" gegründet und bietet selbständig Lehrerfortbildungen und Onlinekurse an.