Marcel Junen

„Man meditiert nicht, um besser zu werden“

Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit machen unsere Welt sehr herausfordernd. Wie kann man sich hier als Student*in besser zurechtfinden? Der BWL-Student Marcel Junen hat an einem Achtsamkeitsmodul der Hochschule Darmstadt teilgenommen und berichtet von seinen Erfahrungen.

PORTAL FÜR ACHTSAMKEIT IN DER PÄDAGOGIK

Im Jahr 2021 fand an der Hochschule Darmstadt unter der Leitung von Prof. Werner Stork und einem externen Achtsamkeitstrainer eine Lehrveranstaltung zum Thema Achtsamkeit statt – 1,5 Stunden die Woche, über das ganze Semester. Marcel Junen nahm daran teil. Am „Tag der Achtsamkeit“  – eine Veranstaltung in Kooperation mit dem AVE Institut – hielt der BWL-Student den Vortrag „Achtsamkeit im Studium“.

„Viele wollen sich mit dem Modul Achtsamkeit selbst optimieren, damit sie noch mehr arbeiten können. Aber man meditiert nicht, um besser oder der Beste zu werden“, erklärt der BWL-Student auf dem „Tag der Achtsamkeit“ in Darmstadt. „Das ist die falsche Richtung und bringt nur mehr Stress.“ Einige Studierende wählen das Modul, weil es Credits, also Studienpunkte, dafür gibt und man keine Hausarbeit schreiben muss.

Andere fangen an zu meditieren, weil sie frustriert sind und ein „turning point“ sie zu einer Neuorientierung bringt. „Am Ende ist es aber eigentlich egal, wie man zu dem Thema kommt“, betont Junen, der sich schon vorher mehrere Jahre mit Philosophie und Fragen über den Sinn des Lebens beschäftigt hat.

Die Veranstaltung, auf der Marcel Junen seinen Vortrag hält hat u.a. zum Ziel, Studierende und Dozierede zum Thema Achtsamkeit zu informieren und Interessierte miteinander zu vernetzen. Insbesondere Studierende sollen von dem Wissen um Achtsamkeit profitieren können.

Studierende
Studierende diskutieren über Achtsamkeit in der Bildung

Wie kam das Achtsamkeitsmodul an?

Junen berichtet weiter: Am Ende des Achtsamkeitsmoduls hat die Gruppe nochmal zusammen über ihre Erfahrungen reflektiert. In dem Gespräch wurde gemeinsam ausgewertet, wie das Modul empfunden wurde und ob man es weiterempfehlen würde: Alle Beteiligten sagten, dass sie froh seien, dass sie das Achtsamkeitsmodul mitgemacht haben.

Die Studierenden gaben an, dass ihre Konzentrationsfähigkeit gestiegen sei und sich ihr Stress reduziert habe. Auch Gelassenheit, Gefühlskontrolle und eine hohe Lebenszufriedenheit wurden als positive Wirkungen genannt.

Als schwierig empfanden die Teilnehmer*innen es, offen zu sein, nicht zu verkrampft nach Erfolg zu suchen und sich eine Achtsamkeitsroutine aufzubauen und regelmäßig beizubehalten –  zum Beispiel einmal am Tag eine STOP-Übung (Mini-Meditation) zu machen. Junen weiß aus eigener Erfahrung: „Ein paar Wochen Kurs reichen nicht. Aber wenige Minuten pro Tag bringen viel Impact. Die Effekte stellen sich dann von selbst ein. Bei mir hat es nach vier Wochen Klick gemacht.“

Neben Übungen und Meditationsanleitungen bekamen die Studierenden in dem Hochschulkurs theoretisches Wissen mit auf den Weg. Außerdem haben sie Lerntagebücher zu ihrer Praxis geführt, in denen sie Fragen beantwortet und reflektiert haben. Zum Beispiel: „Wie gehen Sie mit Hindernissen um?“ oder „Was denken Sie, wenn Sie die STOP-Übung vergessen oder nicht gemacht haben?“ Die Tagebücher wurden am Ende des Moduls mit Leistungspunkten bewertet.

Der Erfolg gibt dem Konzept Recht: Für den nächsten Durchgang haben sich 100 Studierende auf 15 Plätze beworben.

Eine eigene Routine etablieren

Warum Marcel Junen sich mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigt, läge an der sogenannten „Vuca-Welt“*. Unbeständigkeit, Komplexität, Mehrdeutigkeit u.a. machen unsere Welt sehr herausfordernd. Wie kann man in dieser komplexen und sich schnell wandelnden Welt als Student*in zurechtkommen?

Seiner Ansicht nach sind Meditation, Yoga, Stressreduktion und Auszeiten vom Alltag wichtige Elemente dafür. Um das alles umzusetzen, sich zu überwinden und möglichst wenig Barrieren zu schaffen, hat der Student eigene Routinen entwickelt. Zum Beispiel für die persönliche Lese-Auszeit. Junen: „Ich lege mir das Buch schon geöffnet aufs Kopfkissen. Oder ich gehe einmal am Tag raus und laufe um den Block. Das öffnet für mich etwas.“

Junen kennt aber auch Tage, an denen der Kopf einfach nicht frei ist, zum Beispiel wenn man eine Deadline hat. Dann entscheidet er sich bewusst dafür, nicht zu meditieren. „Wichtig für mich ist hier, dass ich bemerke, dass ich heute viel zu tun habe und wahrscheinlich nicht zum Meditieren kommen werde. Ich mache mir dann keinen Kopf du musst aber noch meditieren, sondern sage mir selbst alles klar heute hast du dafür wirklich nicht die passenden Umstände.

Um „dranzubleiben“ hat dem Studenten außerdem geholfen, sich mit anderen auszutauschen. Auch wissenschaftliche Erkenntnisse sind ihm wichtig, denn „viele stempeln Achtsamkeit erstmal als Esoterik ab“. Seine Mitstudent*innen sagen oft, dass sie keine Zeit haben, aber Junen findet, dass jeder Zeit für kleine Routinen hat. Ein weiterer Trick: „Mit etwas Leichtem anfangen und sich dann mehr trauen. Und von Passivität in Aktivität umswitchen.“

Marika Muster

 

* VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe V = volatility ‚Volatilität‘ (Unbeständigkeit), U = uncertainty ‚Unsicherheit‘, C = complexity ‚Komplexität‘ und A = ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘

 

Weitere Informationen

Tag der Achtsamkeit – Austausch und Vernetzung in Darmstadt

Mindful Students Regensburg – Vortrag von Dr. Britta Hölzel

Marika Muster ist Journalistin und hat mehrere Jahre als Lehrerin und Lernbegleiterin an verschiedenen Schulen in Schleswig-Holstein gearbeitet. Sie hat viel Erfahrung in der Erwachsenenbildung (z.B. Schulfach Glück) und in der Seminarleitung mit Jugendlichen (Klimagipfel des BUND). Sie hat "Schulfach Achtsamkeit" gegründet und bietet selbständig Lehrerfortbildungen und Onlinekurse an.

Bildquellen dieser Seite anzeigen

  • Marcel Junen: Steven Wolf (h_da)
  • Tag der Achtsamkeit in Darmstadt: Steven Wolf (h_da)
  • Marika Muster: privat